- Das Berufungsverfahren im Fall des wegen Kindsmissbrauchs verurteilten Kurienkardinals und früheren Finanzchefs des Vatikans, George Pell, hat begonnen.
- Der 77-Jährige erschien vor dem Obersten Gericht des australischen Bundesstaates Victoria in Melbourne.
- Der Geistliche will mit seiner Einsprache erreichen, dass seine Verurteilung wegen Kindesmissbrauchs aufgehoben wird.
Ein Geschworenengericht hatte Pell im Dezember schuldig gesprochen, sich Mitte der 1990er-Jahre in der Kathedrale von Melbourne an zwei 13-jährigen Chorknaben vergangen zu haben. Der damalige Erzbischof von Melbourne soll sich 1996 in der Sakristei vor den Jungen entblösst, sie unsittlich berührt und einen von ihnen zum Oralsex gezwungen haben.
Im März wurde Pell dann zu sechs Jahren Haft verurteilt. Seitdem sitzt er im Gefängnis. Pell ist der ranghöchste katholische Geistliche weltweit, der wegen Kindesmissbrauchs verurteilt wurde. Der 77-Jährige hat die Vorwürfe stets abgestritten und Berufung eingelegt.
Pell beruft sich auf dünne Beweislage
Im Berufungsverfahren wollen seine Anwälte argumentieren, dass Pell wegen der dünnen Beweislage nicht hätte schuldig gesprochen werden dürfen. Die Verurteilung basierte lediglich auf der Aussage eines der mutmasslichen Missbrauchsopfers, andere Beweise gab es nicht. Das zweite mutmassliche Missbrauchsopfer war 2014 an einer Überdosis gestorben und hatte sich nie zu den Vorfällen geäussert.
Verteidiger Bret Walker sagte vor den drei Richtern am Mittwoch, Pell sei zu Unrecht schuldig gesprochen worden. Der ehemalige Erzbischof von Melbourne hätte in der dortigen St. Patrick's-Kathedrale niemals die beiden Jungen sexuell missbrauchen können, ohne aufzufallen. Zudem sei dies auch wegen seines Bischofsgewands «physisch unmöglich» gewesen.
Pells Anwälte kritisieren zudem, dass die Verteidigung während des Prozesses ein Video nicht zeigen durfte, das den Kardinal entlasten sollte. Ausserdem wurde Pell während des Prozesses nicht vor der Jury gefragt, ob er auf schuldig oder nicht schuldig plädiert.