Zeit ist Geld, den Spruch kennt jeder. Geht es um Infektionskrankheiten, wie aktuell bei den Affenpocken, geht er etwas anders: Zeit ist Gesundheit; je schneller Informationen über einen neuen Krankheitserreger erfasst und geteilt werden, umso besser und schneller lässt sich handeln.
Das ist so weit unumstritten. Doch reibungslos klappt das selten. Und reibungslos war das auch nicht in der Corona-Pandemie. Trotz internationaler Gesundheitsvorschriften, die sich die Länder der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 1971 selbst auferlegt haben. Das sagt Helen Keller. Sie ist Rechtsprofessorin an der Universität Zürich. Das soll besser werden. «Die neuen Vorschläge, die auf dem Tisch sind, sind ganz eindeutig eine Reaktion auf den Umgang mit Covid.»
Das Kernziel dieser WHO-Regeln ist immer schon der Informationsaustausch. Um keinem Land zu nahe zu treten, sieht die aktuelle Fassung von 2005 aber bestimmte Regeln vor. So muss die WHO mit Ländern, in deren Grenzen es einen Krankheitsausbruch gibt, erst einmal Rücksprache halten. Konkret bedeutet das: Die WHO bekommt Informationen über einen Krankheitsausbruch in Land X. Sie darf diese aber nicht offiziell mit weiteren Ländern teilen, solange Land X sich nicht dazu äussert.
«Schwerfällige Prozedur für die WHO»
Nora Kronig vom Bundesamt für Gesundheit vertritt die Schweiz bei der WHO. Sie sagt: «Die Prozedur ist im Moment schwerfälliger. Die WHO muss zunächst mit dem jeweiligen Land schauen und ein Komitee einberufen, bevor sie diese Informationen offiziell teilen kann.»
Das soll sich ändern. So sehen es Vorschläge unter anderem der USA vor. Neu soll die WHO demnach früher Informationen über einen neuen Krankheitserreger teilen dürfen. Auch, wenn ein betroffenes Land nicht auf Anhieb kooperiert.
Der Vorschlag der USA geht weiter: Die Länder sollen sich verpflichten, in einer Notlage schnell Informationen zum Krankheitserreger liefern zu können. «Das ist für alle Länder der Welt eine Herausforderung», sagt Kronig.
Das ist für alle Länder der Welt eine Herausforderung.
Dafür braucht es Infrastruktur. Es braucht Labors, die schnell reagieren können. Sie müssen neue Krankheitserreger schnell nachweisen können. Und wenn die Fallzahlen in die Höhe schnellen, müssen sie mit grossen Testkapazitäten Schritt halten können.
Selbst die reiche Schweiz hatte im Frühjahr 2020 Mühe, sich auf die neue Situation einzustellen. Und kommen die Änderungen so durch: Die Schweiz wäre wohl aufgefordert, sich noch besser aufzustellen.
Kritiker der WHO sehen die Gefahr, dass die Organisation in Zukunft zu viel Macht erhält. Und sie im Falle einer internationalen Notlage das Ruder auch auf nationaler Ebene übernehmen könnte. Helen Keller sieht diese Gefahr nicht: «Die WHO kann nicht mit einer Gesundheitspolizei vor Ort aufmarschieren. Und gegen den Willen der betroffenen Staaten selber Daten erheben.»
Die WHO kann nicht mit einer Gesundheitspolizei vor Ort aufmarschieren.
Spielen die Länder nicht mit – halten sie also nicht ein, was sie in Verträgen zugesagt haben –, hat die WHO auch weiterhin keine Handhabe. «Die WHO ist total angewiesen auf die Kooperation mit den betroffenen Staaten», sagt Keller.
Die WHO würde demnach in Zukunft, kommen die Änderungen wie vorgeschlagen durch, nicht direkt mächtiger werden. Aber allenfalls schneller und besser informiert. Bis die neuen Regeln ausverhandelt sind und in Kraft treten können, wird es in jedem Fall noch dauern. Sicher zwei bis drei Jahre – oder mehr.