Verkehrte Welt: Frankreich importiere am Donnerstag über mehrere Stunden Strom aus der Schweiz. Dies zeigte ein Blick auf diese Webseite von Swissgrid, der Schweizer Stromnetzbetreibergesellschaft. Dabei ist es normalerweise gerade umgekehrt. Frankreich mit seinen 56 Atomreaktoren ist ein wichtiger Stromlieferant für das schweizerische und das europäische Netz.
Insbesondere im Winterhalbjahr, wenn der Stromverbrauch hoch ist. Doch nun fallen gleich vier französische Atomreaktoren aus, wie die Zeitungen von Tamedia berichten – teilweise bis im März oder April. Diese haben eine Gesamtleistung von 6000 Megawatt: Das ist fünfmal so viel Leistung, wie im AKW Leibstadt installiert ist.
Swissgrid und Elcom noch unbesorgt
Es ist also ein grosser Ausfall. Doch die Stromversorgung sei aktuell nicht gefährdet, sagt Urs Meister, der Geschäftsführer der Schweizer Stromaufsichtsbehörde Elcom. Die Situation sei nicht kritisch. «Die Verfügbarkeit von anderen Kraftwerken, in den Nachbarländern insbesondere, ist hoch. Und die können das ausgleichen.»
Und auch in der Schweiz selber sei die Lage zurzeit nicht problematisch, so Meister: «Die Schweizer Kraftwerke sind derzeit vollständig am Netz, die Speicher sind gefüllt, zwar etwa zehn Prozent unter dem langjährigen Medienwert, aber die Schweiz kann hier Unterstützung leisten und auch Strom exportieren.»
Allenfalls im März oder April könnte es laut Elcom enger werden, weil dann die Stauseen der Speicherkraftwerke langsam leer sind. Da die Schweiz aber in die gesamteuropäische Stromversorgung eingebunden sei, drohe kurzfristig kein Versorgungsengpass.
Bei Swissgrid heisst es dazu, man verfolge die derzeitige Situation und sei in engem Kontakt mit den Partnern in Frankreich.
Mehreinnahmen für Speicherkraftwerke
Der Ausfall der vier französischen AKWs hat aber Auswirkungen auf den Strompreis. Dieser steigt am europäischen Markt. Das hat zwar noch keine Folgen für die privaten Kundinnen und Kunden, wohl aber für die Betreiber der Speicherkraftwerke. Diese können bessere Preise erzielen für den Strom, den sie nun zusätzlich erzeugen und verkaufen können. Bei industriellen Verbrauchern wären die hohen Preise einen Anreiz, weniger Strom zu verbrauchen, sagt Meister.
Für die atomkritische Schweizerische Energie-Stiftung zeigt der Ausfall der französischen Atomkraftwerke, «dass auch die Atomkraft ein Klumpenrisiko für die Versorgungssicherheit darstellen kann», wie Sprecher Valentin Schmidt sagt. Deshalb müssten auch in der Schweiz die erneuerbaren Energien rasch ausgebaut werden.
Denn auch die Schweizer Kernkraftwerke werden nicht ewig Strom liefern, sondern nur, solange sie sicher betrieben werden können.