Zum Inhalt springen

Widerstand gebrochen? Taliban verkünden Eroberung des Pandschir-Tals

  • Die Taliban haben eigenen Angaben zufolge auch die Provinz Pandschir vollständig eingenommen. Das sagt ein Sprecher der Taliban.
  • Auf Bildern in sozialen Medien sind Taliban-Kämpfer vor dem Tor des Dienstsitzes des Gouverneurs der Provinz zu sehen.
  • Die Machtverhältnisse sind aber unklar. Die Widerstandskämpfer – meist Tadschiken – dementieren die Eroberung der Region durch die Taliban.

«Mit diesem Sieg hat unser Land den Krieg vollständig hinter sich gelassen», sagte der wichtigste Sprecher der Taliban, Zabihullah Mudschahid, in einer Erklärung. «Die ehrbaren Bürger von Pandschir wurden vor den Geiselnehmern gerettet», fügte er hinzu. Weiter versicherte er, dass niemand diskriminiert würde: «Sie sind alle unsere Brüder und wir werden gemeinsam für ein Land und ein Ziel arbeiten.»

Eine Reaktion der widerständischen Tadschiken, die sich unter der Führung von Ahmad Massud gegen die Taliban stemmen, gab es vorerst nicht.

Unklare Lage

Der Sprecher der Nationalen Widerstandsfront (NRF), Fahim Daschti, war in der Nacht zum Montag bei den Gefechten ums Leben gekommen, wie mehrere Quellen in der Widerstandsfront bestätigten. Ein zweiter Sprecher der NRF teilte einen Tweet, der angab, die Taliban-Behauptung über die Eroberung Pandschirs sei falsch. Dazu schrieb er selbst, der Kampf werde fortgesetzt, bis die Aggressoren aus dem Land entfernt seien. Ein Taliban-Sprecher teilte ein Bild, das Taliban-Kämpfer vor dem Gouverneurssitz in der Provinzhauptstadt Basarak zeigen soll.

Ist die Pandschir-Frage gelöst?

Box aufklappen Box zuklappen

Eine Eroberung Pandschirs wäre ein immenser Erfolg für die Islamisten. Diese konnten die Provinz während ihrer ersten Herrschaft nicht einnehmen, was am erbitterten Widerstand der Nordallianz lag und der geografischen Lage: Der Eingang zum Tal ist eng und gut zu verteidigen.
In Pandschir seien mehrere «Rebellen» geschlagen worden, der Rest sei geflohen, teilten die Taliban mit.

Die Pandschir-Frage sollte ursprünglich durch Verhandlungen gelöst werden. Am vergangenen Dienstag allerdings begannen Gefechte, als nach Angaben der Nationalen Widerstandsfront (NRF) Taliban-Kämpfer Kontrollpunkte am Taleingang angriffen. Seither hatten sich die Kämpfe täglich verstärkt. Die radikalen Islamisten rückten offensichtlich weiter in das Tal vor.

Der Anführer der NRF, Achmad Massud, hatte sich in der Nacht zu Montag zu einer Verhandlungslösung bereit gezeigt. Er erklärte, den Krieg sofort zu beenden, falls die Taliban ihre Angriffe in Pandschir beendeten. Die NRF sei bestrebt, Konflikte mit den Taliban friedlich beizulegen.

«Man hat keine Lösung gefunden»

Sowohl die Taliban als auch die NRF haben in der Vergangenheit betont, dass sie zu einer Verhandlungslösung bereit seien. Dass es nun trotzdem zu Kämpfen um das Tal kam, liege daran, «dass in den Gesprächen keine Lösung gefunden wurde», erklärt Thomas Gutersohn, SRF-Südasien-Korrespondent.

«Noch gestern Abend hat Achmad Massud Gesprächsbereitschaft signalisiert, um einen Waffenstillstand auszuhandeln. Doch da war es offensichtlich schon zu spät.» Die Taliban haben inzwischen verkündet, sie hätten das Tal eingenommen.

Die Einnahme des Pandschir-Tals durch die Taliban habe eine grosse symbolische Bedeutung, denn während ihrer letzten Herrschaft von September 1996 bis Oktober 2001 konnten die Taliban es nicht unter ihre Kontrolle bringen.

Das 80 km nördlich von Kabul gelegene Pandschir-Tal ist die letzte noch nicht von den Islamisten kontrollierte Provinz in Afghanistan.

SRF 4 News, 06.09.21, 07:30 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel