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Wirtschaftlicher Neubeginn Wo die syrische Wirtschaft aufgebaut werden soll

Nach 14 Jahren Krieg will die Übergangsregierung der HTS-Rebellen die Wirtschaft in Syrien wiederbeleben. Keine einfache Aufgabe.

Manar Deeb drückt ihre Zigarette aus und heisst den unangekündigten Besuch aus der Schweiz willkommen. Seit drei Jahren arbeitet Deeb in der Kommunikationsabteilung des Wirtschaftsministeriums. Der Blick aus ihrem Bürofenster geht auf den Qasioun, den Damaszener Hausberg.

Es ist erst eine Woche her, dass das alte Regime gestürzt wurde und sie neue Chefs erhalten hat. Glatt sei das gelaufen: «Es gab kein Chaos», sagt Deeb. «Die alte Verwaltung endete mit dem Sturz des Regimes, und es kam eine neue Verwaltung, die die Dossiers übernahm und sofort zu arbeiten begann.»

Viele Frauen sitzen in wichtigen Positionen der Verwaltung, sie können nicht so einfach ersetzt werden.
Autor: Manar Deeb Mitarbeiterin Kommunikation, Wirtschaftsministerium in Damaskus

Wie zahlreiche andere Beamte hat auch Manar Deeb ihre Stelle behalten und einfach weitergearbeitet. Nicht ohne gewisse Vorbehalte, wie sie erzählt: «Nach dem ganzen medialen Lärm um die Präsenz von Frauen machte ich mir Sorgen. Aber die neuen Leute behandelten uns mit grossem Respekt. Ausserdem sitzen viele Frauen in wichtigen Positionen der Verwaltung, sie können nicht so einfach ersetzt werden.»

Deeb trägt ihr schulterlanges braunes Haar offen. Dass sie gegenüber der islamistisch geprägten Übergangsregierung gemischte Gefühle hat, verhehlt sie nicht. Kompliziert sei es, sagt sie. Nach so viel Zerstörung und Krieg wolle sie aber mithelfen, ein neues Syrien aufzubauen. «Persönlich hoffe ich das Beste. Aber Worte allein machen keine Zukunft, sondern Taten.»

Weg von Korruption, hin zu freier Marktwirtschaft

Basil Abdulaziz Abdulhanan, der Wirtschaftsminister der Übergangsregierung, empfängt uns wenig später freundlich in seinem prunkvollen Büro, das er von seinem Vorgänger übernommen hat. Der studierte Ingenieur aus Aleppo besetzte bis vor kurzem den Posten als Wirtschaftsminister in Idlib, der Rebellen-Enklave im Norden Syriens. Dass er jetzt das Ministerium in der Hauptstadt leitet, hätte er sich nicht träumen lassen.

Basil Abdul Aziz Abdul Hanan in Anzug sitzt an Schreibtisch vor kunstvoller Wand.
Legende: Basil Abdulaziz Abdulhanan hat sich vorgenommen, die syrische Wirtschaft umzubauen. SRF

Doch Zeit zum Feiern habe er nicht, es gebe viel zu tun. Die Übergangsregierung arbeite mit den vorherigen Ministern zusammen, für eine geordnete Übergabe der Institutionen. Abdulaziz nimmt sich den Umbau der syrischen Wirtschaft vor:

«Das jetzige System basiert auf Sozialismus und Totalitarismus. Und mittlerweile ist es nichts anderes als institutionalisierte Korruption», sagt der Minister. Nun müssten die staatlichen Institutionen angepasst werden, damit der Übergang zu einer freien Marktwirtschaft gelinge. Dazu wolle man alle relevanten Akteure einbeziehen. So habe er etwa bereits die Vertreter der Handelskammern getroffen. 

Die militärische Schlacht ist vorbei, jetzt beginnt der wirkliche Kampf.
Autor: Basil Abdulaziz Abdulhanan Wirtschaftsminister der Übergangsregierung in Damaskus

Übergangsminister Basil Abdulaziz ist sich der enormen Herausforderungen bewusst, die Syrien zu bewältigen hat: «Die militärische Schlacht ist vorbei, jetzt beginnt der wirkliche Kampf, der Kampf um den Aufbau der Verwaltung und der Regierung.»

«Ohne die Wirtschaft hat die Demokratie keine Chance»

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Einschätzung von Monika Bolliger, Produzentin beim «Echo der Zeit» und Nahost-Kennerin: «Der Wirtschaftsminister scheint einen klaren Plan für den Umbau der Wirtschaft zu haben. Wie andere HTS-Vertreter hat auch er viel von Sicherung der Stabilität gesprochen. Bezüglich Demokratisierung sind die Aussagen der HTS dagegen vage: Dafür brauche es Zeit.

Tatsächlich sind die Herausforderungen immens. Während 50 Jahren gab es kein politisches Leben in Syrien. Wirtschaft und Infrastruktur liegen am Boden. Es gibt regionale Spaltungen, und das Ausland mischt sich ein, man denke an die Militärinterventionen Israels und der Türkei. Es ist alles sehr fragil. Doch es sorgt für Misstrauen, dass die HTS alle Schlüsselstellen mit ihren Leuten besetzt – offenbar will sie ihre Macht konsolidieren, ohne zu teilen.

Westliche Staaten wollen nun die vielen und komplexen Sanktionen gegen Syrien als Hebel nutzen, um der HTS Konzessionen abzuringen. Wenn diese allerdings zu zögerlich aufgehoben werden, kann sich die Wirtschaft nicht erholen. Und ohne die Wirtschaft hat auch die Demokratie keine Chance.»

Echo der Zeit, 08.01.2024, 18 Uhr

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