Der Posten des Hochkommissars für Menschenrechte gilt als undankbarstes aller UNO-Spitzenämter. Die Rede ist auch von einem «unmöglichen Amt». Der Hochkommissar eckt fortwährend an bei den Regierungen der Mitgliedsländer, weil er sie observieren und kritisieren muss. Als Volker Türk im vorigen Herbst sein Amt antrat, erntete zunächst aber vor allem er selber Kritik – von Menschenrechtsorganisationen und in den Medien: Der 58-jährige Jurist aus Österreich galt als zu diplomatisch, zu vorsichtig, als UNO-Karrierist und zu wenig als energischer Fürsprecher für die Menschenrechte.
Türk kritisiert entschlossen ...
Seither hat er manche überrascht. Und zwar jene, die für Menschenrechte eintreten, durchaus positiv. Er sei in seinem Amt angekommen, hört man inzwischen in Genf oft. Noch immer tritt er geschmeidig auf, engagiert sich jedoch entschlossener und äussert sich deutlicher, als viele erwartet hatten. Etwa, wenn er jetzt in seinem ersten Jahresbericht viele UNO-Mitglieder wegen zu wenig Kooperation mit den UNO-Menschenrechtsinstanzen scharf kritisiert. Manchen – und er nennt sie namentlich – wirft er gar eine aktive Verhinderungspolitik vor. Erstens, weil sie selber nicht kooperieren, zweitens, weil sie Bürgerinnen und Bürger, die mit der UNO zusammenarbeiten, schikanieren, einschüchtern oder gar bestrafen.
Das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte soll eigentlich Staaten helfen, besser zu werden. Bloss: Gerade autoritäre Regime wollen sich gar nicht verbessern. Immer mehr Länder akzeptieren Prinzipien, die sie einst in der UNO-Menschenrechtserklärung unterzeichnet haben, nicht länger und verweigern jegliches Engagement: Eritrea, Nordkorea, Myanmar, Syrien und viele mehr. Andere kooperieren bestenfalls selektiv, etwa Äthiopien, Belarus, Burundi oder Israel.
... nur China nicht
Doch sobald es um die Supermacht China geht, bewegt sich selbst der inzwischen mutigere neue UNO-Hochkommissar für Menschenrechte auf Samtpfoten. Nur eine ganz kurze Passage in seinem langen Jahresbericht widmet er China und balanciert dort Kritik aus mit Lob. Immerhin spricht er die Menschenrechtsverletzungen in Hongkong, in der Uiguren-Provinz Xinjiang und in Tibet an. Offenkundig ist, welchen Drahtseilakt er hier vollführt. Denn China verfügt auch im UNO-System über enorme Macht.
Die Menschenrechte sind – neben Frieden und Entwicklung – einer der drei Eckpfeiler der Vereinten Nationen. Zugleich sind sie das Stiefkind. Bloss gut drei Prozent des UNO-Haushalts fliessen in diesen Bereich. Türk fordert nun eine Verdoppelung – und mehr politische Unterstützung. Beides wird er nicht bekommen. Zeiten geopolitischer Spannungen sind schlechte Zeiten für die Menschenrechte. Fortschritte gibt es derzeit kaum noch; Rückschritte aber, so weit das Auge reicht.