Bis heute bestreitet das iranische Regime, im September 2022 die Kurdin Mahsa Amini in Polizeigewahrsam umgebracht zu haben. Doch nun sagt Javaid Rehman, der UNO-Sonderberichterstatter für den Iran, er habe Beweise für den Mord.
Die Belege präsentierte er diese Woche vor dem UNO-Menschenrechtsrat. Die Drahtzieher hinter dem Mord an der jungen Frau, die gegen Kleidervorschriften verstossen haben soll, sieht der pakistanisch-britische Völkerrechtsprofessor ganz oben in der Staatsführung des Irans. «Sie war ein Opfer der Staatsgewalt, ihr Tod kein Unfall.»
Iranische Führung schlägt Proteste brutal nieder
«Ich hab Zeugenaussagen, mündliches und schriftliches Material von der Familie der Getöteten sowie medizinische Berichte vorliegen, die dies belegen», so Rehman.
In Teheran weigere man sich jedoch, die Sache aufzuklären. Dasselbe gelte für die massenhaften Hinrichtungen, die seit der Verhaftung von Mahsa Amini stattgefunden haben. Der UNO-Sonderberichterstatter spricht von mehr als 500 vollstreckten Todesurteilen im vergangenen Jahr und bereits über 140 seit Jahresbeginn. Dazu kämen mindestens 527 Tötungen, vor allem von Demonstrierenden.
Das Ausmass sei derart gravierend, die Systematik so offenkundig, dass man von Verbrechen gegen die Menschlichkeit sprechen müsse. Offenkundig sei auch, dass die Mullahs ganz besonders Frauen und Mädchen ins Visier nähmen. Oft werde gezielt auf deren Geschlechtsteile geschossen, betont Rehman. Es handele sich klar um staatliche, von oben angeordnete Gewalt und nicht um einzelne Übergriffe niedrigerer Chargen. Neben den Ermordungen gebe es zuhauf willkürliche Verhaftungen, Verschleppungen, Folter oder Vergewaltigungen.
Teheran soll wissen, dass die Welt nicht nur zuschaut
Jawad Rahman ist seit bald fünf Jahren UNO-Sonderberichterstatter. Den Iran besuchen durfte er aber noch nie, genauso wenig wie seine Amtsvorgänger. Teheran verweigert ihm die Einreise.
Um die Menschenrechtsverbrechen zu dokumentieren, gelangte er dennoch an mehr als genug Material. Entscheidend sei ein grosses Netzwerk an Quellen im Land selber und unter Exil-Iranerinnen und Iranern, so Rehman. Ein guter Teil der Verbrechen lasse sich gar mit offiziellen Dokumenten belegen, mit publizierten Gesetzen und Anweisungen. «Der Staat selbst ist einer meiner wichtigsten Quellen.» So bestehe etwa ein Gesetz, das die Hinrichtung von Kindern erlaubt: ein klares Menschenrechtsverbrechen.
Mahsa Amini war ein Opfer der Staatsgewalt, ihr Tod kein Unfall.
Der Sonderberichterstatter träte gerne in einen Dialog mit der iranischen Führung, doch diese lehnt das ab. Stattdessen greift sie ihn selber und seine Berichte aufs Schärfste an. Für die iranische Bevölkerung sei es indes, so ist Rehman überzeugt, enorm wichtig, dass das, was das Regime tue, von einer unabhängigen Instanz dokumentiert und publiziert werde. Für viele wäre es bitter, wenn die Weltöffentlichkeit das Leiden ignorieren würde.
Deshalb spricht sich Rahman auch für Sanktionen gegen den Iran aus. Die EU und Grossbritannien haben diese vor kurzem verschärft. Der Schweizer Bundesrat jedoch mag sich nicht anschliessen. «Sanktionen mögen vielleicht keine unmittelbaren Veränderungen bewirken: Doch sie sind ein Element, um gegenüber dem Regime Missfallen auszudrücken und so Druck auszuüben.»