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Zehn Jahre Staatspräsident Sergio Mattarella – Italiens Fels in der Brandung

Italien hat in den letzten Jahren viele politische Umbrüche erlebt, Premierminister kamen und gingen. Doch der Präsident ist geblieben.

Um zu erklären, warum Sergio Mattarella in Italien so populär ist, kann man zum Beispiel zwei Jahre zurückblicken. Auf den Musikwettbewerb von San Remo 2023: Mattarella sass als erster Staatspräsident überhaupt im Publikum des Festivals, das in Italien ein Strassenfeger ist.

Das Staatsoberhaupt lauschte den Klängen des jungen, populären Musikschaffens. Wobei wohl alle davon ausgehen, dass dies nicht unbedingt Mattarellas Vorlieben entspricht. Aber dieser Präsident geht eben nicht nur ins Opernhaus der Mailänder Scala.

Mattarella wagt sich auch in die tristen Aussenquartiere Neapels vor, die unter der Mafia leiden: «Die Mafia ist menschengemacht und darum besiegbar. Die Mafia ist Gewalt, vor allem aber Feigheit. Mafiosi haben keine Ehre, keinen Mut», sagte Staatspräsident Mattarella mit grosser Glaubwürdigkeit, wurde doch sein eigener Bruder von der Mafia ermordet.

Glanzvolle Wahl im Jahr 2015

Mattarella wurde auf Sizilien in Palermo geboren. Er studierte Recht, trat der Democrazia Cristiana, den Christdemokraten bei, war Professor, Parlamentarier, Minister und Verfassungsrichter. Als die Christdemokraten im Korruptionssumpf der 1990er-Jahre untergingen, wechselte er ins Mitte-Links-Lager. Dieses schlug ihn 2015 zur Wahl ins Staatspräsidium vor – er wurde glanzvoll gewählt.

Wie jeder Präsident hatte er es bald einmal mit Regierungskrisen zu tun. Und: Bei jeder Wahl ab 2015 wechselten die Mehrheiten. Zuerst gewannen die Sozialdemokraten haushoch, dann das Movimento Cinque Stelle, dann die Lega, später kam mit Mario Draghi ein Parteiloser, schliesslich Giorgia Melonis Fratelli d'Italia. Nichts blieb in diesen zehn Jahren gleich, nur einer blieb und verlieh dem Staat trotz dieser Umwälzungen Stabilität und Glaubwürdigkeit.

Die Stimme erheben, ohne laut zu werden

Wie Sandro Pertini, der beliebteste Präsident Italiens, kennt Mattarella die Sorgen seiner Landsleute: Die Beschäftigung sieht er als eines der grossen Probleme. Tatsächlich: Viele Junge haben keine Arbeit. Und wenn sie eine haben, dann ist sie oft skandalös schlecht bezahlt. Die Macht, dies zu ändern, hat der Präsident nicht. Aber er kann Probleme benennen.

Mattarella
Legende: Mit sechs Regierungen hat Mattarella zusammengearbeitet und sich dabei bei allen politischen Lagern Respekt und Ansehen erworben. Keystone/EPA/ANSA/Angelo Carconi

Und er kann Gesetze, die seiner Meinung nach der Verfassung widersprechen, zurückweisen. Der unterdessen 83-Jährige tut dies, er erhebt seine Stimme, ohne laut zu werden.

Eigentlich wollte er 2022 in Pension gehen. Doch das Parlament konnte sich auf keinen Nachfolger einigen. Und so liess er sich nochmals ins Amt drängen. Dafür sind ihm viele dankbar, wohlwissend, dass der Zeitpunkt seines definitiven Rücktritts bald einmal kommen könnte.

Rendez-vous, 04.02.2025, 12:30 Uhr

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