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Russischer Diplomat «schämt sich für sein Land» und tritt zurück
Aus Rendez-vous vom 24.05.2022. Bild: Twitter / NEXTA
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Zeichen gegen Ukraine-Krieg «Der russische Diplomat riskiert mit seinem Rücktritt sehr viel»

Boris Bondarew will den Kriegskurs Russlands nicht mehr mittragen. Er macht seinen Rücktritt öffentlich – mit Folgen.

An der russischen UNO-Mission in Genf hat es politisch gesprochen geknallt. Der russische Diplomat Boris Bondarew tritt von seinem Amt zurück. Diesen Rücktritt macht er öffentlich. Er schreibt, dass er sich für sein Land schämt. Der russische Krieg gegen die Ukraine sei nicht nur ein Verbrechen am ukrainischen Volk; es sei auch ein Verbrechen am russischen Volk.

Das Passfoto von Boris Bondarew
Legende: Boris Bondarew hatte am Montag nach 20 Jahren den Dienst quittiert. Es ist ein Protest gegen den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Keystone

Mit dieser Abrechnung mit Russland riskiert Bondarew viel. «Er gilt in Russland nun bei vielen aus dem Staatsapparat als ‹Verräter›. Und ‹Verräter› leben gefährlich in Russland. Er tut gut daran, vorerst nicht in die Heimat zurückzukehren.» Das sagt David Nauer. Er war langjähriger SRF-Russland-Korrespondent.

«Die meisten tragen den Kriegskurs mit»

Soweit bekannt, ist der Bruch Bondarews mit der russischen Diplomatie ein Einzelfall. Das erstaunt David Nauer. «Ich kenne zahlreiche russische Diplomatinnen und Diplomaten. Ich habe sie als sehr gebildete, weltgewandte Leute kennengelernt. Man könnte meinen, dass viele dieser Leute den radikalen Kriegskurs des Kreml nicht mittragen. Aber die meisten tun es doch.»

Dafür gibt es mehrere Gründe, sagt Nauer. Einige seien bestimmt überzeugt, dass der Krieg richtig sei. Andere fürchteten wohl um ihren Job und ihre materielle Existenz. Oder sie hätten Angst vor Repressalien. «Im Detail ist es schwer zu sagen, was den Ausschlag gibt. Vielleicht ist es oft auch einfach eine Mischung von all diesen Gründen», so Nauer.

Kreml distanziert sich von Bondarew

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«Man kann hier wahrscheinlich nur sagen, dass Herr Bondarew nicht mehr zu uns gehört – vielmehr, dass er gegen uns ist.» Das sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag in Moskau nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Interfax.

Peskow sagte zum Rücktritt Bondarews weiter: «Er hat die Handlungen der russischen Führung verurteilt – und die Handlungen der russischen Führung werden praktisch von der gesamten Bevölkerung unseres Landes unterstützt. Das bedeutet, dass sich dieser Herr gegen die allgemein vorherrschende Meinung unseres Landes ausgesprochen hat.» (sda)

Der zurückgetretene Diplomat spricht von klaren Anweisungen des Aussenministeriums in Moskau. So hätten die Botschaften bereits vor dem Krieg Anweisungen bekommen, immer aggressivere Positionen zu vertreten. Tatsächlich hat die Propaganda der russischen Botschaften in Europa zugenommen. Das konnte David Nauer in den letzten Jahren beobachten.

«Sie greifen regelmässig Journalisten an, die kritisch über Russland berichten. In den Ländern, in denen sie sich befinden», sagt der Russlandexperte. Auch russlandkritische Politiker und Politikerinnen sind betroffen: «Sie werden von den russischen Botschaften oft in einem ziemlich harschen Ton kritisiert und angegriffen.» Die russischen Vertretungen in Europa agieren in den letzten Jahren also nicht sehr diplomatisch.

Persönliche Erfahrung von David Nauer

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Im Januar hat Nauer einen SRF-Beitrag gemacht. Dieser handelte vom russischen Truppenaufmarsch entlang der ukrainischen Grenze. «Ich habe gesagt, es sähe danach aus, dass der Kreml sich auf einen Krieg vorbereitet. Aber was der Kreml tatsächlich genau für Pläne habe, das wisse man nicht», erklärt Nauer den damaligen Inhalt.

Das russische Aussenministerium hat mit einem längeren Text über ihn reagiert. «In diesem Beitrag wurde mir in einem relativ unanständigen Ton vorgeworfen, ich würde Fake News verbreiten. Es gab sogar einen Beitrag im russischen Staatsfernsehen. Darin hiess es, ich sei ein Kriegstreiber.»

Das russische Aussenministerium hat den Journalisten für einen inhaltlich korrekten Beitrag ziemlich aggressiv angegriffen. «Da fragt sich, was damit erreicht werden soll. Verständnis für russische Positionen wird mit einem solchen Vorgehen nicht geschaffen.»

Zuoberst in der russischen Diplomatie steht Aussenminister Sergei Lawrow. Er macht es Putin nach: Lawrow droht dem Westen mittlerweile verklausuliert mit Atomangriffen. Er wandelte sich vom gewandten Diplomaten zum Kriegshetzer. «Das russische Aussenministerium wurde im Machtapparat in Moskau wohl zur Seite gedrängt», sagt Nauer.

Es heisst, die Aussenpolitik werde nicht mehr im Ministerium gemacht. Sondern im Kreml, bei Putin, in der Präsidialadministration. Laut David Nauer gibt es eine Vermutung: Lawrow und seine Leute wollen ihren letzten Einfluss nicht verlieren. «Sie versuchen daher, mit möglichst lauter, aggressiver Propaganda auf sich aufmerksam zu machen.»

SRF 4 News, 24.05.2022, 12:30 Uhr ; 

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