Seit den frühen Morgenstunden ragt ein Loch im Kachkowa-Staudamm in der Ukraine. Seither fliessen grosse Mengen Wasser unkontrolliert aus dem Stausee. Darum werden massive Überschwemmungen in den Gebieten flussabwärts befürchtet. Die Ukraine und Russland machen sich gegenseitig für den Dammbruch verantwortlich.
Wo liegt der Staudamm? Der Staudamm liegt rund 60 Kilometer östlich der Stadt Cherson, welche die ukrainische Armee vergangenen November befreit hat. Seither bildet der Stausee und sein Abfluss, der Fluss Dnipro, die Grenze des Frontverlaufs. Nördlich befinden sich die ukrainischen Streitkräfte, die Gebiete am Südufer des Stausees werden von Russland kontrolliert (auf der Karte grün markiert).
Wie hoch resp. gross sind Damm und Stausee? Der Damm ist 30 Meter hoch und 3.2 Kilometer lang. Der Stausee erstreckt sich auf rund 230 Kilometern vom Staudamm bis zur ukrainischen Stadt Saporischja im Nordosten und hat eine Fläche von 2155 Quadratkilometern. Mit einer maximalen Tiefe von 26 Metern beträgt sein Volumen 18.3 Kubikkilometer. Im Vergleich: Der wesentlich kleinere Neuenburgersee mit einer Fläche von 215 Quadratkilometern fasst 14 Kubikkilometer Wasser.
Warum wurde der Staudamm gebaut? Der Kachkowa-Staudamm ist Teil von sechs Staudämmen, die auf dem Fluss Dnipro gebaut wurden, und bildet die letzte Staustufe flussabwärts. 1956 wurde er in Betrieb genommen. Mit dem Wasser wird Strom produziert und die Felder in der Region bewässert. Ausserdem dient der Stausee als Trinkwasserquelle, etwa für die von Russland annektierte Halbinsel Krim.
Welche Folgen hat der Dammbruch? Die unmittelbarste Gefahr, die vom zerstörten Staudamm ausgeht, sind die Überschwemmungen, die flussabwärts drohen. Gemäss dem ukrainischen Premierminister seien 80 Siedlungen bedroht. Ein von Russland installierter Beamter sprach von 22'000 Menschen in 14 Siedlungen, die in der Region südlich von Cherson bedroht seien. Ein weiteres Problem ist die Trinkwasserversorgung oder die Kühlung des Atomkraftwerks Saporischja, das am Ufer des Stausees liegt.
Was heisst das für das AKW Saporischja? Das AKW bezieht Kühlwasser aus dem Stausee. Nun gibt es die Befürchtung, dass der Wasserpegel durch den Dammbruch so weit absinken könnte, dass die Versorgung mit Kühlwasser gestört wird. Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA teilte mit, dass kein unmittelbares Sicherheitsrisiko für das Kraftwerk bestehe. Es gebe zudem alternative Quellen für Kühlwasser wie etwa grosse Wasserbecken, die die Kühlung «für einige Monate» sicherstellen könnten.