Worum geht es? In Jerusalem haben mehrere israelische Minister und Parlamentarier der Regierungskoalition an einer Konferenz teilgenommen, an der die Wiederbesiedlung des Gazastreifens durch Israelis gefordert wurde. Der rechtsextreme Polizeiminister Itamar Ben-Gvir forderte auf der «Konferenz des Sieges» neben einer Rückkehr israelischer Siedler in den Küstenstreifen auch dazu auf, die dort lebenden Palästinenser zur «Abwanderung zu ermutigen». Nur dies könne ein weiteres Massaker wie am 7. Oktober verhindern, argumentierte er.
Wie ernst gemeint ist das? «Die Forderung ist sehr ernst gemeint», sagt SRF-Nahostkennerin Susanne Brunner. Die israelische Ultrarechte und Teile der Strengreligiösen betrachteten sowohl den Gazastreifen als auch das besetzte palästinensische Westjordanland als Land Israels. Für sie war der Rückzug Israels aus Gaza und die Räumung von 20 Siedlungen 2005 ein riesiger Fehler – und die Übernahme der Kontrolle durch die Hamas in Gaza beweise das. Der Terrorangriff vom 7. Oktober durch die Hamas gebe den israelischen Extremisten jetzt Auftrieb mit ihrer Forderung nach einer Wiederbesetzung des Küstenstreifens.
Auch die Linken in Israel stehen komplett unter dem Schock des Hamas-Angriffs – und können sich nicht vorstellen, wie der Gazastreifen wiederaufgebaut werden soll.
Wie soll das gehen? Die israelische Rechte wolle Wege finden, wie man die Palästinenserinnen und Palästinenser im Gazastreifen zur «freiwilligen» Emigration bringen könnte, hiess es an der Konferenz in Jerusalem. Auch wollen die Ultrarechten die Todesstrafe für Terroristen einführen. Allerdings ist bislang kein Land in der Region dazu bereit, Hunderttausende von Palästinensern aufzunehmen. «Ausserdem sträubt sich praktisch die ganze Welt gegen eine Umsiedlung der palästinensischen Bevölkerung aus dem Gazastreifen», sagt Brunner.
Wie sind die Reaktionen? Der israelische Oppositionsführer Jair Lapid schrieb auf der Plattform X: «Die schädlichste Regierung in der Geschichte des Landes hat einen neuen Tiefpunkt erreicht.» Netanjahu selbst äusserte sich gemäss Medienberichten tendenziell kritisch über die Konferenz, betonte aber, auch Regierungsmitglieder hätten ein Recht auf eine eigene Meinung. Die palästinensische Seite wiederum verurteilte die Konferenz scharf: So sprach das palästinensische Aussenministerium in Ramallah von einem «Treffen kolonialistischer Terrororganisationen». Man sehe Netanjahus Regierung als direkt verantwortlich für «solche aufwiegelnden Aufrufe».
Was sagt die israelische Bevölkerung? «Die Bevölkerung ist gespalten», so die Israel-Kennerin Brunner. Israel hat in vier Jahren fünfmal gewählt und jedes Mal war die Regierungsbildung enorm schwierig. Inzwischen findet laut Umfragen zwar mehr als die Hälfte der Bevölkerung, Netanjahu müsse weg, doch die Situation sei komplex, betont Brunner: «Auch die Linken in Israel stehen komplett unter dem Schock des Hamas-Angriffs. Auch sie können sich im Moment nicht vorstellen, wie der Gazastreifen wiederaufgebaut werden soll – für eine palästinensische Bevölkerung, die nach diesem entsetzlichen Krieg und all dem Leiden die Hamas stärker unterstützen könnte als vor dem Krieg.»