- Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Zinsen an ihrer Sitzung vom Donnerstag wie erwartet nicht weiter gesenkt.
- Der Leitzins, zu dem sich Banken Geld bei der Notenbank besorgen können, liegt weiter bei 4.25 Prozent, wie die EZB in Frankfurt mitteilte.
- Der am Finanzmarkt massgebliche Einlagensatz, den Banken für das Parken überschüssiger Gelder erhalten, bleibt weiter bei 3.75 Prozent.
Die EZB hatte im Juni die Zinswende vollzogen und erstmals seit 2019 die Zinsschraube gelockert. Die Festlegung der angemessenen Höhe und Dauer des restriktiven Niveaus durch den EZB-Rat werde auch in Zukunft von der Datenlage abhängen und von Sitzung zu Sitzung erfolgen, erklärte die EZB: «Der EZB-Rat legt sich nicht im Voraus auf einen bestimmten Zinspfad fest.»
Inflation bleibt teilweise hartnäckig
Volkswirte hatten mit einer Zinspause gerechnet. Zwar ist die Inflation in der 20-Länder-Gemeinschaft im Juni auf 2.5 Prozent gesunken. Sie liegt damit nicht mehr weit entfernt von der Zielmarke der EZB von 2.0 Prozent, die sie als optimales Niveau für die Wirtschaft anstrebt.
Sorgen bereitet der Euro-Notenbank aber die Teuerung im Dienstleistungssektor, die sich als sehr hartnäckig erweist. Im Juni lag sie wie schon im Mai bei 4.1 Prozent. EZB-Präsidentin Lagarde hatte zu Monatsbeginn gesagt, es werde einige Zeit dauern, bis die EZB genug Daten gesammelt habe, um sicher zu sein, dass die Gefahr einer zu hohen Inflation gebannt sei.
Zudem war das Lohnwachstum, einer der wichtigsten Inflationstreiber im Euroraum, zuletzt immer noch kräftig. Noch im ersten Quartal waren die Tariflöhne in der Eurozone um 4.7 Prozent gestiegen. Jüngste Unternehmensnachrichten weisen laut EZB-Chefvolkswirt Philip Lane aber inzwischen auf eine Abschwächung des Lohnwachstums hin.
Laut einer Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters aus der vorigen Woche rechnen Volkswirte damit, dass die EZB die Zinsen in diesem Jahr noch zwei Mal senken wird. Die Ökonomen erwarten auf den Zinssitzungen im September und im Dezember Schritte nach unten um jeweils einen Viertelprozentpunkt.
Aussicht für Wirtschaft unsicher
Hinsichtlich weiterer Zinssenkungen hatte sich Lagarde jüngst zurückhaltend gezeigt. «Der starke Arbeitsmarkt bedeutet, dass wir uns Zeit nehmen können, um neue Informationen zu sammeln», sagte Lagarde beim EZB-Forum im portugiesischen Sintra mit Blick auf die Arbeitslosigkeit im Euroraum. Diese lag im Mai auf einem Rekordtief von 6.4 Prozent. Aber man müsse sich auch der Tatsache bewusst sein, dass die Wachstumsaussichten unsicher blieben. Im ersten Quartal hatte die Wirtschaft in der Eurozone nur leicht um 0.3 Prozent gegenüber dem Vorquartal zugelegt.
Um die nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine auf Rekordhöhe gestiegene Inflation in den Griff zu bekommen, hatte die EZB seit Juli 2022 zehnmal in Folge die Zinsen nach oben geschraubt, ehe sie eine Pause einlegte. Im vergangenen Juni senkte die EZB dann erstmals seit der Inflationswelle die Leitzinsen um 0.25 Prozentpunkte.
Die Notenbank muss mit ihrer Geldpolitik einen Spagat bewältigen. Hohe Zinsen machen Kredite teuer. Das kann die gesamtwirtschaftliche Nachfrage bremsen und hohen Inflationsraten entgegenwirken. Teurere Finanzierungen sind zugleich eine Last für die Wirtschaft und Privatleute, die sich Geld leihen wollen – etwa Hausbauer. Senkt die EZB die Zinsen wiederum zu schnell, läuft sie Gefahr, dass die Inflation wieder anzieht.