Der erste und bisher einzige UNO-Generalsekretär aus Afrika war ein ebenso würdevoller wie menschlicher Politiker. Einer, der auch mal über sich selber schmunzelte.
Etwa als er im kleinen Kreis folgende Geschichte erzählte: Seine Amtszeit als UNO-Generalsekretär war längst zu Ende, als er mit seiner Frau, unweit seines Wohnorts in Genf, in einen Laden trat. Die Verkäuferin sprach ihn sofort an: «Ah, welche Ehre, ich kenne Sie natürlich». Dies schmeichelte ihm durchaus, wie er einräumte. Worauf die Verkäuferin allerdings fortfuhr: «Willkommen, Mister Morgan Freeman...»
Unermüdlicher Einsatz für Afrika
Kein anderer UNO-Generalsekretär, ausser vielleicht der Schwede Dag Hammarskjöld, war ähnlich populär wie Kofi Annan. Und nur wenige waren ähnlich hartnäckig wie er. Bis zuletzt sprach der Mann aus Ghana etwa den afrikanischen Staatschefs ins Gewissen, die sich vom Internationalen Strafgerichtshof ICC abwenden wollen.
«Ihr wollt einzig euch selber vor einer Anklage vor diesem Gericht schützen. Keiner von euch denkt an die Opfer von Kriegsverbrechen. Sie sind euch egal. Es ist eine Schande für jeden einzelnen von euch, wenn ihr den ICC bekämpft. Und zugleich eine Schande für eure Länder.»
Annan scheute Konfrontationen nicht
Bis zuletzt setzte sich Annan für seinen Kontinent ein. Afrika sei gar nicht arm, es sei eigentlich ein reicher Kontinent, betonte er immer wieder, aber einer, in dem viele arme Menschen lebten. Annan scheute sich auch nicht, sich mit mächtigen UNO-Mitgliedern anzulegen, etwa den USA. Deren Einmarsch im Irak unter dem Vorwand, dessen Regime besitze Massenvernichtungswaffen, hat er immer und immer wieder kritisiert und die Invasion als illegal bezeichnet.
Kofi Annan hat als Generalsekretär viel erreicht. Dies hängt auch damit zusammen, dass in seiner Amtszeit, von 1997 bis 2006, der Kalte Krieg vorbei war und die Spannungen zwischen den Grossmächten geringer waren als zuvor – und auch als sie jetzt wieder sind. Entsprechend war die UNO unter seiner Ägide erfolgreicher als sie heute ist: Der Internationale Strafgerichtshof ICC entstand. Ebenso der UNO-Menschenrechtsrat. Und die wegweisenden und zu einem respektablen Teil erreichten UNO-Millenniumsziele zur Bekämpfung der Armut wurden beschlossen.
Eine Art Weltvater
Annan besass Charisma. Wenn man nationale Politiker gelegentlich als Landesväter oder Landesmütter bezeichnet, müsste man Annan als eine Art Weltvater charakterisieren. «In vielerlei Hinsicht verkörperte er die Vereinten Nationalen», schreibt jetzt der aktuelle Amtsinhaber Antonio Guterres über seinen Vorvorgänger. Der Ghanaer sei «eine treibende Kraft des Guten» gewesen.
Erfolg hatte er freilich längst nicht immer: Als grosser Reformer der UNO-Bürokratie geht er nicht in die Geschichte ein. Manche Beobachter finden, seine Aussenwirkung sei grösser gewesen als seine Innenwirkung im Apparat der Weltorganisation. Belastet hat ihn auch, dass einer seiner Söhne in einen Korruptionsfall beim UNO-Programm «Öl für Lebensmittel» im Irak verwickelt war.
Der schmerzliche Misserfolg
Und gänzlich scheiterte er in seiner letzten Hauptrolle, als Friedensvermittler für Syrien: «Solange mächtige Länder nicht an einem Strick ziehen, kann es kein Ende des Krieges geben», erklärte er, als er frustriert sein Mandat niederlegte. «Es nützt nichts, wenn ich selber als Vermittler den Frieden will, sofern die Widersacher in diesem Krieg das nicht mindestens gleichermassen wollen.»
Er selbst bezeichnet sich als «sturen Optimisten». Als solcher sei er geboren worden; ein solcher werde er bleiben. Er hat damit längst nicht alles erreicht, was er sich vorgenommen hatte, aber immerhin manches. Genug jedenfalls, um ihn auch im Nachhinein als grosse, als markante Figur der Weltpolitik zu sehen.