Die Zwischenwahlen in den USA sind eine Art Referendum: über die regierende Partei, vor allem über den Präsidenten. Die Folge sind in der Regel Sitzverluste, vielleicht geht die Mehrheit in einer oder gar in beiden Kammern des US-Kongresses verloren.
Barack Obama musste diese Erfahrung genauso machen wie sein Nachfolger Donald Trump. Und so schien es sicher, dass die Demokraten auch unter Joe Biden verlieren würden – und zwar massiv.
Keine «normale» Zwischenwahl
Bidens Zustimmungswerte sind seit Monaten grottenschlecht, die hohe Inflation verschaffte den Republikanern ein vorzügliches Wahlkampfthema. Die Rede war von einer roten, einer republikanischen Welle.
Doch vielleicht gelten diese Gesetzmässigkeiten dieses Mal nicht. Denn das wird keine «normale» Zwischenwahl: Sie ist, zum ersten Mal, auch ein Referendum über einen ehemaligen Präsidenten.
Demokratie versus «Trumpismus»
Donald Trump dominiert nicht nur weiterhin die republikanische Partei, sondern auch die Schlagzeilen. Und landauf, landab treten Kandidatinnen und Kandidaten an, die nach Trumps Muster gestrickt sind. Dass Trump selbst seine Kandidatur für die nächste Präsidentschaftswahl bekannt geben wird, halten viele nur noch für eine Frage der Zeit.
Es ist also kein Wunder, dass Joe Biden den Urnengang im November als Schicksalswahl deuten will: eine Wahl zwischen der Demokratie auf der einen Seite und dem demokratiefeindlichen «Trumpismus» auf der anderen.
Bidens Umfragewerte steigen wieder an
Derweil spielt auch ein anderes Thema den Demokraten in die Hände: Das Oberste Gericht hat im Juli das Recht auf Abtreibung umgestossen – ein Recht, das während fast 50 Jahren Bestand hatte. Die Hinweise mehren sich, dass das Thema das Potenzial hat, vor allem Frauen für die Demokraten an die Urne zu bringen.
Die Inflation zeigt derweil Anzeichen der Besserung. Und Biden, dessen innenpolitische Agenda am Ende schien, konnte in rascher Folge bemerkenswerte Erfolge verbuchen: ein grosses Klimapaket, ein verschärftes Waffengesetz oder tiefere Medikamentenpreise. Seine Umfragewerte werden besser.
Demokraten könnten Mehrheit im Senat halten
Die Demokraten schöpfen also Hoffnung – auch weil sie in zwei Ersatzwahlen umkämpfte Sitze im Repräsentantenhaus gewinnen konnten. Alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus werden im November neu besetzt. Es dürfte den Demokraten schwerfallen, ihre Mehrheit dort zu verteidigen.
Die rote Welle wird aber eher ausbleiben. Und es ist gut möglich, dass die Demokraten ihre hauchdünne Mehrheit im Senat halten können. Das ist natürlich nicht in Stein gemeisselt. Zwei Monate sind in der US-Politik eine lange Zeit.