In Hinblick auf die Zwischenwahlen im Herbst finden in den USA derzeit Vorwahlen statt. Es gibt Beispiele dafür, dass die demokratische Partei Kandidierende der republikanischen Partei finanziell unterstützt hat. Das Ziel ist, die eigenen Chancen für einen Sieg später zu erhöhen, wenn der Gegenkandidat zu extrem ist, um gewählt zu werden. Die Politologin Christiane Lemke hält nichts von diesem Plan.
SRF News: Die US-Demokraten unterstützten Kandidierende der Republikaner, von denen sie glauben, gegen sie leichtes Spiel zu haben. Ist das ein guter Plan?
Christiane Lemke: Ich denke, dass es kein guter Plan ist, im Gegenteil. Die Demokraten spielen ein gefährliches Spiel. Denn man läuft Gefahr, im November vor einer Situation zu stehen, in der die Stimmung gegen die Demokraten gekippt ist. So könnten republikanische Kandidaten eine Chance haben, auch die extremen.
Wenn sich die Unzufriedenheit mit der Regierung noch verschärft, haben republikanische Kandidaten sehr gute Chancen.
Sie denken, der Schuss könnte für die Demokraten nach hinten losgehen?
Ja. Es sind noch drei Monate bis zur Wahl. Die Stimmung ist in den USA derzeit sehr schlecht. Die Demokraten haben zwar gerade ein Gesetzespaket durch den Senat bringen können, und das wird auch im Abgeordnetenhaus verabschiedet werden. Aber die Lebenshaltungskosten sind stark gestiegen. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Regierung ist sehr hoch. Wenn sich das noch verschärft, haben republikanische Kandidaten sehr gute Chancen.
Man weiss noch nicht, welche politischen Themen dann effektiv auf der Agenda stehen werden. Je nachdem profitieren anderen Kandidierenden davon?
Genau, bei den Zwischenwahlen in den USA geht es um Innenpolitik. Die Aussenpolitik spielt keine Rolle. Es kann immer irgendetwas Unvorhergesehenes passieren. Aber in der Regel wird bei diesen Zwischenwahlen zum Kongress die innenpolitische Situation befragt. Konkret: Wie ist meine Jobsituation, meine Einkommenssituation? Dazu kommen eine Reihe kontroverser Themen, etwa Frauenrechte oder die Rechte von Minderheiten, Migration. Wie die Reihenfolge dieser Themen sein wird, kann man im Moment noch nicht richtig einschätzen.
Ex-Präsident Donald Trump mischt stark mit. Welchen Einfluss hat er auf das derzeitige politische Klima?
Aus europäischer Sicht ist es erstaunlich, wie gross Trumps Einfluss nach wie vor ist. Er hält Wahlkampfreden in diesen Vorwahlen und unterstützt Kandidaten. Er reist durchs Land und die Leute jubeln ihm zu. Trump hat einen harten Kern von Unterstützern. In zwei Jahren will er wohl wieder als Präsident antreten. Die Ideologie des Trumpismus hat grosse Verbreitung gefunden.
Selbst wenn Trump in zwei Jahren nicht selbst als Präsident kandidiert, gibt es andere, die diese Ideologie vertreten.
Es gibt viele Politiker in der republikanischen Partei, die Trumps nationalistische These, dass man Amerika wieder stark machen müsse, unterstützen. Sie findet viele Anhänger. Selbst wenn Trump in zwei Jahren nicht selbst als Präsident kandidiert, gibt es andere, die diese Ideologie vertreten. Genau besehen vertritt Trump nämlich die Interessen des weissen Amerikas. Doch gleichzeitig sind die USA sehr heterogen, sehr multikulturell geworden. Da liegt auch Sprengstoff im Trumpismus.
Was könnte den Demokraten in den USA noch einen Push geben, mit Blick auf die Zwischenwahlen im Herbst?
Man kann nur hoffen, dass die Demokraten den Kurs fortführen und sich auf soziale Fragen konzentrieren. Denn es tobt ein Kulturkampf um heisse Themen wie Multikulturalität oder Abtreibung. Wahlentscheidend ist letztlich die soziale, die wirtschaftliche Situation der Wählerinnen und Wähler.
Das Gespräch führte Susanne Stöckl.