Ihr Projekt war schon weit gediehen: Eine Aargauer Familie wollte unbegleitete minderjährige Asylsuchende (UMA) bei sich aufnehmen. Mutter wie auch Vater arbeiten beruflich im Sozialbereich. Von den eigenen fünf Kindern wohnen nicht mehr alle zu Hause.
Im grossen Haus sind nun drei Zimmer frei. Die Familie freute sich darauf, bald Zuzug zu erhalten von drei sehr jungen Eritreern, die ohne Angehörige in die Schweiz gekommen sind.
Die Familie hatte beim Kanton ein Konzept für die Betreuung der UMA eingegeben und mit dem zuständigen Departement schon einige Gespräche geführt. Auch mit der Schule im Dorf war die Platzierung der drei Flüchtlingskinder besprochen worden. Und das Haus ist so umgebaut worden, dass es genug Platz hat für die jungen Flüchtlinge. Diese kennt die Familie bereits: Ihr wurden drei junge Eritreer vorgestellt, die voraussichtlich bei ihr platziert würden.
Integration dank Familienanschluss
Die Familie will UMA aufnehmen, weil dies ihrer Meinung nach die beste Möglichkeit zur Integration ist. Junge Flüchtlinge im Aargau müssen, wie alle anderen Kinder im gleichen Alter, zur Schule gehen. Das ist gesetzlich vorgeschrieben.
Doch wenn UMA in kantonalen Unterkünften bleiben, ist es für sie praktisch unmöglich, Deutsch zu lernen. In einer Pflegefamilie funktioniert der Spracherwerb besser. Und so steigen die Chancen, dass die Kinderflüchtlinge die reguläre Schule besuchen und sich integrieren können. Schaffen sie das nicht, werden sie schon früh von der Sozialhilfe abhängig und können sich später kaum mehr aus dieser Abhängigkeit befreien.
Kurz vor Ostern erhielt die angehende Pflegefamilie aber einen überraschenden Bescheid. Der Kanton habe einen Platzierungsstopp verfügt. Es würden keine UMA mehr in Pflegefamilien untergebracht. Der Grund: Pflegefamilien seien teuer.
Die Unterbringung und Betreuung von UMA in Pflegefamilien ist kostspielig.
Die Aargauer (Pflege)Familie weiss nun nicht, wie es weitergeht. Sie befürchtet, dass ihr Aufwand vergebens war. Sie kennt auch andere Familien, die in der gleichen Situation sind.
Das kantonale Defizit drückt
Auf Anfrage bestätigt das Departement Gesundheit und Soziales (DGS) die Darstellung der Familie. Sprecherin Anja Kopetz schreibt: «Die Unterbringung und Betreuung von UMA in Pflegefamilien ist kostspielig. Das Defizit von über 100 Millionen Franken stellt die kantonale Verwaltung in den kommenden Jahren vor grosse Herausforderungen. Die Departemente und ihre Abteilungen wurden angehalten, die finanziellen Aufwendungen zu überprüfen und mögliche Sparmöglichkeiten aufzuzeigen. Dies betrifft auch das Asylwesen und dabei ebenfalls die Unterbringung und Betreuung der UMA.»
Das DGS erklärt weiter, dass momentan die Zahl der UMA nicht mehr so hoch sei wie auch schon. Der Kantonale Sozialdienst erachte es «als verhältnismässig, die Platzierung von UMA in Pflegefamilien zurückhaltend vorzunehmen». Ausnahmen von diesem Platzierungsstopp würden aber gemacht bei jungen Flüchtlingen mit «besonderen Indikationen». Diese würden «adäquat» betreut, z. B. in Institutionen, Pflegefamilien, Time Outs.
Regierungsrätin Franziska Roth betont im Gespräch mit Radio SRF , dass sie im Budget für das Jahr 2018 rund 12 Millionen Franken sparen müsse. Es gehe beim Platzierungsstopp aber nicht allein darum, Geld zu sparen, sondern auch um das grundsätzliche Problem der Integration.
Flüchtlinge, egal ob minderjährig oder erwachsen, hätten Anrecht auf Schutz in der Schweiz. Aber sie hätten kein Anrecht darauf, definitiv aufgenommen zu werden. Zu viel Integration würde es erschweren, die Flüchtlinge in ihre Länder zurückzuschicken, wenn sich die Situation dort verbessern würde.