Die 17-jährige Natsiraishe Maritza aus Harare wollte nicht länger tatenlos zusehen, wie immer mehr gleichaltrige oder noch jüngere Freundinnen zur Heirat gezwungen werden. Vor zwei Jahren beschloss sie, die Mädchen in ihrer Nachbarschaft in Taekwondo zu trainieren, um so ihr Selbstbewusstsein zu stärken. Bis heute hat sie über 30 junge Frauen trainiert und wurde dafür von der International Taekwon-Do-Federation in Korea anerkannt.
Sie sagt dem Patriarchat den Kampf an. Natsiraishe Maritza gehört zu den wenigen Frauen in Simbabwe, die Taekwondo praktizieren. Kampfsportarten, so die gängige Meinung, ist nichts für Frauen. «Männer sind oben, Frauen unten – dagegen wehre ich mich. Das darf so nicht sein. Frauen können genauso viel wie Männer», sagt die zierliche Frau, die mit einem gezielten Fusskick gestandene Männer zu Boden bringen könnte.
Sie trainiert, seit sie fünf Jahre alt ist. Eingeführt in diesen Kampfsport hat sie ihr Vater. Allerdings nur, weil er keinen Sohn, sondern «nur» fünf Töchter hat. Er gab ihr zuerst keine Chance, doch Natsiraishe bewies ihm, dass sie es nicht nur bis zum schwarzen Gürtel bringen, sondern Taekwondo auf ganz neue Art und Weise einsetzen kann.
Für sie ist die koreanische Kampfsportart «ihr Leben», sie habe viel gelernt, sagt Natsiraishe. «Es ist ein harter Sport, wer gut sein will, muss Ausdauer zeigen und Schmerzen ertragen können.» Genau das mache Taekwondo so ideal für ein Lebenstraining.
Vor zwei Jahren musste Natsiraishe Maritza erleben, wie eine Cousine schwanger wurde und unter dem Druck der Familie heiraten musste. Dieses Erlebnis hat sie für immer geprägt. Sie sah, wie die Cousine nicht mehr zur Schule ging, fortan eine minderjährige Hausfrau war und an Depressionen litt. Natsiraishe beschloss darauf hin, junge Frauen und Mädchen aus der Nachbarschaft in Taekwondo zu trainieren – und zwar jeden Samstagmorgen.
Taekwondo soll nicht nur den Körper stärken, sondern vor allem auch das Selbstbewusstsein und den Mädchen die Angst vor gesellschaftlichem Druck nehmen. Denn dieser Druck ist insbesondere Frauen gegenüber allumfassend und bestimmt ihr Leben von früh auf. Frauen sind allgemein weniger wert als Männer, die Familien verfügen über sie nach Belieben.
Werte wie «Jungfräulichkeit» stehen immer noch hoch im Kurs, und gleichzeitig lassen Jungs nichts unversucht, um minderjährige Frauen zum Sex zu überreden. Unter dieser klassischen Doppelmoral leiden hauptsächlich Frauen. Eine Taekwondo-Schülerin, die 14-jährige Primrose, sagt, es sei hart, auf ihre innere Stimme zu hören und «Nein» zu sagen, doch das Training habe sie eindeutig stärker gemacht.
Natsiraishe Maritza wirkt stark und unbeugsam, doch die Geschichten ihrer Schülerinnen bewegen sie zutiefst und bereiten ihr schlaflose Nächte. Sie hat etliche schriftlich festgehalten, um auch das Schicksal jener Mädchen zu verfolgen, die nicht mehr ins Training kommen. Sie selbst hat eine Stiftung gegründet und hofft, eines Tages ihr Wochenend-Programm ausbauen zu können.
Das Training kombiniert sie mit Gruppengesprächen. Sie thematisiert die Auswirkungen von Sex – worüber viele nicht wirklich aufgeklärt sind – und die Konsequenzen einer frühen Schwangerschaft. Sie weiss, dass dies eigentlich die Aufgabe der Eltern ist, doch diese, so sagt sie, redeten mit ihren Kindern kaum und viele Mädchen würden nicht aufgeklärt. «In meiner Gesellschaft existieren immer noch so viele Tabus. Und wenn wir Frauen nicht darüber reden, stehen wir ihnen machtlos gegenüber.»
In der Küche berät Natsiraishe besonders traumatisierte junge Frauen wie Natasha. Sie kommt nicht mehr ins Training, doch weiterhin zur individuellen Beratung. Im Alter von 14 Jahren wurde sie von ihrem kranken Bruder gezwungen, einen älteren Mann zu heiraten, um so die Pflege des Bruders sicherzustellen. Ihre Eltern waren tot, Verwandte halfen nicht.
Sie heiratete den Mann, liess sich jedoch scheiden, als ihr Bruder starb. Da war sie allerdings bereits schwanger. Heute, als 17-jährige alleinerziehende Mutter, werde sie wie eine Aussätzige behandelt. «Alle tuscheln über mich, niemand ausser Natsiraishe hilft mir. Ich werde wohl nie mehr von der Gemeinschaft akzeptiert werden.»
Vom samstäglichen Training weiss die ganze Nachbarschaft, doch viele verstehen bis heute nicht, was es soll und worum es geht. Vor allem Männer sind überzeugt, dass eine so starke Frau wie Natsiraishe wohl kaum einen Mann finden wird, der sie heiraten will. Ihr persönlich ist das egal, sie lässt sich schon lange nicht mehr einschüchtern.
Der Erfolg ihres Trainings hat auch das Selbstbewusstsein von Natsiraishe Maritza gestärkt. Die Erfahrung, vor den Schülerinnen zu stehen und eine Trainingseinheit zusammenzustellen, die von allen befolgt wird, zeigt ihr eins: Sie hat das Potenzial einer Macherin, einer Anführerin. «Durch meine Studentinnen habe ich realisiert, dass ich wirklich etwas verändern kann – ja vielleicht sogar die ganze Welt», sagt sie.