- Proteste und MeToo-Kundgebungen begleiteten die Vergabe der französischen Filmpreise am Freitagabend in Paris.
- Kritik entzündete sich vor allem am Preisträger für die beste Regie, Roman Polanski. Er sieht sich seit Jahren Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs und der Vergewaltigung ausgesetzt.
- Als bester Film wird das Sozialdrama «Die Wütenden» ausgezeichnet, dass sich mit Spannungen in Pariser Vororten auseinandersetzt.
Die diesjährige César-Vergabe in Paris wird als Krisen-Event in die Annalen eingehen.
Für Diskussionsstoff sorgte am Freitagabend insbesondere der polnische Regisseur Roman Polanski, der einen der begehrten französischen Filmpreise zugesprochen bekam.
Zuschauer verlassen den Saal
Polanski erhielt den Preis für die beste Regie für seinen Streifen «Intrige». Bei der Verleihung selber war der französisch-polnische Künstler nicht dabei. Wegen anhaltender Kritik rund um die César-Nominierungen – das Polanski-Historiendrama war in zwölf Kategorien im Rennen – hatte der 86-Jährige, dem seit Jahrzehnten sexuelle Belästigungen und Vergewaltigungen vorgeworfen werden, seine Teilnahme an der Zeremonie abgesagt.
Es kam zum Eklat. Aus Protest gegen den Regiepreis verliessen einige Zuschauer den Saal, darunter die Schauspielerin Adèle Haenel. Eine Auszeichnung an Polanski wäre so, als würde man allen Missbrauchsopfern ins Gesicht spucken, hatte Haenel der «New York Times» bereits vor wenigen Tagen gesagt.
«MeToo-Debatte» verschlafen
Vor dem Erscheinen des Films hatte die Fotografin und Schauspielerin Valentine Monnier Polanski in einem Medienbericht beschuldigt, sie 1975 vergewaltigt zu haben.
Die 31-jährige Haenel wirft Frankreich zudem vor, die «MeToo-Debatte» verschlafen zu haben. Sie selbst hatte Anklage gegen den Regisseur Christophe Ruggia erhoben. Sie beschuldigt ihn, sie als Minderjährige beim Dreh zu ihrem ersten Film «Les Diables» (Kleine Teufel) wiederholt sexuell belästigt zu haben.
Der Streit um Polanski hatte die Akademie für den Filmpreis in eine Krise gestürzt – ihre Direktion trat vor rund zwei Wochen kollektiv zurück.
Hunderte gegen Polanskis Nominierung
Vor Beginn der Zeremonie am Freitagabend demonstrierten mehrere Hundert Menschen, vor allem Frauen, gegen die Nominierung des Polanski-Films (im Original «J’accuse») über den jüdischen Offizier Alfred Dreyfus, der 1894 zu Unrecht wegen Landesverrats verurteilt worden war.
Schon im November war es bei einer Premiere in Paris zu Protesten gekommen. Mehrere Frauen blockierten den Zugang zu einem Kino.
«Parasite» schreibt weiteres Erfolgskapitel
Die oscarprämierte Gesellschaftssatire «Parasite» des südkoranischen Regisseurs Bong Joon Ho gewann den César als bester Auslandsfilm. Bei der Verleihung war der Regisseur nicht anwesend.
Der Film erzählt die Geschichte einer Familie aus der koreanischen Unterschicht, die sich als Hausangestellte in einer reicheren Familie einschleicht. Der Film wurde bereits Anfang Februar mit vier Oscars ausgezeichnet, darunter den für den besten Film, den besten ausländischen Film und die beste Regie. In Cannes gewann die Satire 2019 die Goldene Palme.
Der César ist Frankreichs nationaler Filmpreis, benannt nach dem Bildhauer César Baldaccini. Der «französische Oscar» wird seit 1976 verliehen.