Egal ob zu Wasser oder auf dem Land: Den Insekten in der Schweiz geht es schlecht. Gemäss den nationalen roten Listen sind 60 Prozent der untersuchten Insektenarten gefährdet. Dazu gehören etwa Eintags-, Stein- und Köcherfliegen, oder auch Heuschrecken und Schmetterlinge.
Angesichts des Vogel- und Bienensterbens erstaunt das traurige Verdikt nicht. Das bestätigt auch Florian Altermatt, Ökologie Professor an der Universität Zürich: Das Problem sei seit Jahrzehnten bekannt.
Eminent wichtige Rolle im Ökosystem
Doch die Forscher sind angesichts der nackten Zahlen alarmiert: «In der Schweiz sind in den letzten 100 Jahren die Mehrzahl der Moore und der Trockenwiesen verschwunden – und damit bis zu 95 Prozent der Lebensräume der Insekten», sagt Altermatt. Gerade im Mittelland fänden Insekten kaum mehr ein geeignetes Habitat.
Pestizide können breitflächig andere Organismen töten.
Wer den Kriechtieren und Flugdrohnen noch nie viel abgewinnen konnte, sollte seine Euphorie drosseln. Denn ohne Insekten ist das gesamte Ökosystem bedroht, erklärt Altermatt: «Viele Insekten sind Bestäuber von Nutzpflanzen, seien es Obstbäume oder Gemüse.»
Gleichzeitig seien Insekten unabdingbar für die Fruchtbarkeit der Böden. Denn sie ernähren sich von Laubstreu und sorgen für eine ausreichende Durchlüftung. «Schliesslich sind sie Nahrungsgrundlage für viele Tiere, beispielsweise für Vögel.»
Der Ökologe sieht zwei Hauptgründe für das Insektensterben: Die Zerstörung und Isolierung der natürlichen Lebensräume; zudem verschlechtere die Intensivierung der Landwirtschaft diese Lebensräume.
Tödliche Effizienz der Pestizide
Gerade der Einsatz von Pestiziden sei sehr «effektiv». Denn sie töten nicht nur Schädlinge ab, sondern verursachen auch beachtliche «Kollateralschäden» an Nützlingen: «Pestizide können breitflächig andere Organismen töten. Sie werden auch in Gewässer eingeschwemmt und die darin lebenden Insekten sterben ab.»
In jüngster Zeit ist das Insektensterben auch in benachbarten Ländern besser dokumentiert worden: «Die Ursachen dafür lassen sich europaweit, wenn nicht weltweit beobachten», sagt Altermatt. Allerdings: Wo weniger intensive Landwirtschaft betrieben und die Zersiedelung weniger fortgeschritten ist, geht es den Insekten besser.
Blühende Landschaften im Osten
So etwa in manchen Ländern Osteuropas. Dort wird teilweise nach wie vor eine eher kleinräumige Landwirtschaft betrieben, wie sie bis Mitte des 20. Jahrhunderts auch bei uns üblich war.
Altermatt beschreibt ein Biotop, das hierzulande ein seltener Anblick geworden ist: «Hecken, Steinstrukturen, eine feuchte Mulde in einer Wiese.» Dazu würden weniger Düngemittel und Pestizide eingesetzt. «All das führt dazu, dass es mehr und vielfältigere Insektengemeinschaften hat», führt der Ökologe aus.
Doch lässt sich das Rad der Zeit zurückdrehen? Der Ökologe sieht eine «ganze Reihe von Massnahmen», die das Insektensterben lindern könnten. Naheliegend ist die Reduktion des Pestizideinsatzes in der Landwirtschaft.
Daneben empfiehlt Altermatt «Lichtverschmutzung» in Siedlungen möglichst gering zu halten. Schliesslich: «Es braucht mehr Mut zur Wildnis. Nicht jede Ecke muss aufgeräumt sein.» Dies ist auch als Aufruf an allzu penible Hobbygärtner zu verstehen: nicht jeder schiefe Grashalm muss begradigt werden.