«Becoming», das Buch der ehemaligen First Lady Michelle Obama, erscheint heute. Es wurde bereits in 25 Sprachen übersetzt und wird zumindest in den US-Medien bereits als aufschlussreichstes Buch einer Präsidentengattin bezeichnet. Christoph von Marschall hat eine Michelle-Obama-Biografie verfasst. Er hält die frühere First Lady für alles andere als ein Hausmütterchen.
SRF News: Warum wird so ein Hype um Michelle Obamas Buch gemacht?
Christoph von Marschall: Michelle Obama war schon vorher eine faszinierende Frau. Sie war ein neues Rollenmodell, wie eine First Lady sein kann. Sie war die erste afroamerikanische Frau in dieser Rolle, aber sie hat eben auch eine ganz eigene Mischung aus den zwei Modellen gefunden, die es vorher gab.
Michelle Obama hat politische Ambitionen, aber nicht solche, die mit Wahlämtern verbunden sind.
Das eine Modell war die brave Hausfrau an der Seite des Präsidenten, die für das Organisieren von Essen zuständig war, vielleicht neues Porzellan aussuchte und das Weisse Haus dekorierte. Das Gegenmodell war Hillary Clinton. Sie sagte, ich bin eine Politikerin an der Seite des gewählten Präsidenten, und ich verbinde diese Position auch mit politischen Ambitionen. Michelle Obama ist sozusagen ein Mittelweg. Sie ist mehr als nur die typische Hausfrau. Sie hat politische Ambitionen, aber nicht solche, die mit Wahlämtern verbunden sind.
Was verkörperte Michelle Obama während ihrer acht Jahre als First Lady?
Michelle Obama hat eine natürliche Gabe, Menschen das Gefühl zu geben, dass sie es nicht mit einer sehr weit entfernten, distanzierten, hochrangigen Person zu tun zu haben. Sie hat sich einfach mit Kindern auf den Fussboden gesetzt und mit ihnen gesprochen. Sie hat ein gutes Händchen für Kinder.
Sie hat als First Lady Aktionsprogramme für gesunde Ernährung und mehr Bewegung auf die Beine gestellt, um gegen die Fettleibigkeit amerikanischer Kinder vorzugehen. Sie konnte auf eine sehr mitfühlende Art die Witwen von gefallenen Soldaten trösten. Und sie hat sich sehr stark um Soldatenfamilien gekümmert, wenn die Familien zu Hause vielleicht auch einmal finanzielle Schwierigkeiten hatten oder darunter litten, dass der Mann im Einsatz war.
Um all diese Dinge hat sich Michelle Obama auf eine sehr mitfühlende, natürliche Weise gekümmert. Das macht ihren Charme aus. Und dazu war sie eben auch ein Glamour-Girl, eine Glamour-Frau an der Spitze eines Staates.
Michelle Obama ist nicht die erste First Lady, die ihre Memoiren veröffentlicht. Bis auf wenige Ausnahmen hat jede First Lady ein Buch über ihr Leben geschrieben. Reiht sich ihr Buch in diese Tradition ein?
Nein, aus zwei Gründen nicht. Erstens: Michelle Obama war eine untypische First Lady. Sie war weder das Hausmütterchen oder die Frau an der Seite des Präsidenten ohne eigene Ambitionen. Und zweitens war sie auch nicht das Hillary-Clinton-Modell einer Frau, die an der Seite des Präsidenten sich selbst auf die eigene politische Karriere vorbereitet. Michelle Obama geht nicht in die Politik, schreibt sie in dem Buch auch nochmals ausdrücklich. Aber sie ist ein ganz eigener Typus.
Sie redet über Politik, und spricht auch sehr offen darüber, was ihr am Nachfolger ihres Mannes alles nicht passt. Und ihre internationale Ausstrahlung ist natürlich auch etwas Besonderes. Ich glaube nicht, dass es eine Präsidentengattinnen-Biografie gibt, die schon am ersten Tag eine so weitreichende internationale Verbreitung fand, wie die von Michelle Obama.
Michelle Obamas Buch ist eine ganz neue Mischung aus Ausstrahlung, aus Abrechnung mit politischen Gegnern und aus dem persönlichen Erzählen.
Sie setzt damit neue Rekorde. Hillary Clinton war sicher schon sehr erfolgreich, weil man sie auch als Politikerin auf dem Schirm hatte. Aber Michelle Obamas Buch ist eine ganz neue Mischung aus Ausstrahlung, aus Abrechnung mit politischen Gegnern und Erzählen von Persönlichem. Darüber, wie sie die Ehe mit Barack Obama, wie sie das gemeinsame Familienleben und dann später die Zeit im Weissen Haus empfunden hat.
Das Gespräch führte Janis Fahrländer.