SRF: In den letzten Tagen hatten wir hierzulande heftige Wolkenbrüche. Kann man jetzt für hiesige Wetterverhältnisse sagen «it’s raining cats and dogs»?
Jack R. Williams: Definitiv. Wir sagen dazu auch «torrential rain» (sintflutartiger Regen). In Grossbritannien kann es zusätzlich noch horizontal regnen, in alle Richtungen. Der Regen kommt manchmal sogar vom Boden her. Diese Art von Regen kennt die Schweiz noch nicht.
Machen Sie bei diesem Wetter auch Spaziergänge?
Oh ja, ich liebe es. Es fühlt sich an wie zuhause. Zum Beispiel vor ein paar Tagen spazierte ich zur nächsten Haltestelle und dann sass ich einfach da, triefend nass. Mein Hut war nass, alles. Ich geniesse das, wirklich. Ich finde es auch schön, dass die Leute das britische Wetter jetzt mal in der Schweiz erfahren können. Ich denke, das ist gut für die Schweizer.
Gut?
Ich denke, das Wetter hat etwas Sozialisierendes. Die Leute können sich gemeinsam über das schlechte Wetter beklagen. Das schweisst zusammen. Das ist übrigens ein Teil des britischen Lebens. Wir diskutieren ständig darüber, wie schrecklich das Wetter ist. Wir lieben das. Das Wetter ist immer Thema bei Beginn eines Gesprächs.
Zu Beginn und am Schluss eines Gesprächs?
Und in der Mitte einer Konversation. Das Wetter als Gesprächsthema ist mehr als ein Verlegenheitsvehikel. Ich spreche sogar mit meinen engsten Freunden und mit meiner Familie ständig über das Wetter und den Regen.
Das Beste am Regen ist, dass er immer aufhört. Irgendwann.
Sie fühlen sich also glücklich bei diesem Wetter.
Ich glaube, es gibt einem ein Gefühl für die Natur. Man ist Teil von etwas Grösserem, es fühlt sich lebendig an. Und wichtig: Wenn man etwas nicht vermeiden kann, muss man es geniessen. Auch das Nasswerden kann schön sein.
Gibt es Tricks gegen das Nasswerden?
Langweilig aber wahr: In Grossbritannien haben die Menschen immer einen Schirm bei sich. Das Wetter auf der Insel wechselt ständig und da gehört ein Schirm in die Tasche wie die Geldbörse. Für die Ladys empfehle ich den Poncho. Der ist sehr beliebt bei uns. Die älteren Damen tragen Regenhut, oder auch gerne Kopftuch. Auch die Queen trägt übrigens eines. Bevorzugterweise sind die Kopfbedeckungen in hellen Farben, um dem grauen Regen etwas entgegenzusetzen.
Und die Herren?
Da gibt es etwas ganz Exklusives für die aristokratischen Herren, das ist die Wachsjacke, etwa jene von Barbour. Die sind nicht nur sehr schön und effektiv, sondern auch sehr teuer. Ich selber kann mir unglücklicherweise keine leisten. Die Herren tragen die Jacke in England traditionellerweise, wenn sie jagen gehen. Noch vor kurzem wurden sie eher von älteren Herren getragen, jetzt trägt es die junge Generation wieder. Ein Schweizer Freund von mir ging extra nach London, um so eine zu kaufen.
Wenn die Frau keine Gummistiefel trägt, sollte der Mann versuchen, sie zu tragen, zumindest bis sie an einem etwas trockeneren Platz stehen kann.
Letzthin regnete es so stark, dass das Wasser einen richtigen Fluss in der Strasse bildete. Was macht man dann?
Das ist ein Fall für Gummistiefel, ganz klar. Mit denen kann man durch alles gehen und die Füsse bleiben komplett trocken.
Und was tut der englische Gentleman, dass die Lady an seiner Seite nicht nass wird?
Es ist wirklich hart, in so einer Situation ein Gentleman zu sein. Wenn die Frau keine Gummistiefel trägt, sollte der Mann versuchen, sie zu tragen, zumindest bis sie an einem etwas trockeneren Platz stehen kann. Wenn der Mann einen Schirm hat, sollte man den der Frau überlassen. Und dann muss man als Mann situationsbezogen reagieren können. Etwa wenn ein Auto kommt und die Gefahr da ist, dass die Dame nass gespritzt wird, sollte sich der Herr vor sie stellen. Mit andern Worten: Der Gentleman muss riskieren, dass seine trockenen Kleider nass werden, damit die Lady trocken bleibt.
Was würden Sie den Schweizern für eine britische Redewendung in Bezug aufs Wetter mit auf den Weg geben?
Mir fällt da eine Aussage von Eeyore, dem Esel in Winnie the Pooh, ein: «Das Beste am Regen ist, dass er immer aufhört. Irgendwann.»
Das Gespräch führte Christa Gall.