Auf diese Frage suchen Forscher seit Monaten eine Antwort: Gibt es eine Immunität gegen Corona? Nun verdichten sich die Hinweise, dass eine Erkrankung einen Schutz generieren kann, wie SRF-Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel erklärt.
SRF News: Sind Menschen nach einer Corona-Infektion immun oder nicht?
Katrin Zöfel: Noch ist es zu früh für eine abschliessende Antwort. Aber immer mehr Studien deuten darauf hin, dass sich nach einer Infektion tatsächlich eine Immunität bildet, die auch eine Weile hält. Die beiden jüngsten Studien stammen aus Grossbritannien und den USA. Sie sind völlig verschieden.
Die britische Studie hat mehr als 11’000 Pflegefachleute begleitet und beobachtet, ob diese sich mit Corona infizieren oder nicht. Diejenigen, die eine Infektion durchgemacht hatten – das waren gut 1000 – waren geschützt. Sie infizierten sich grösstenteils nicht. Ganz wenige infizierten sich zwar, hatten aber sehr milde Verläufe.
Die Studie aus den USA untersuchte bei einer kleinen Gruppe von Probanden detailliert, welche Antikörper und welche Immunzellen im Blut wie lange nach einer Corona-Infektion noch vorhanden waren. Das Ergebnis war, dass noch mehr als sechs Monate nach der Infektion die Immunzellen vorhanden waren, die es für einen Immunschutz braucht. Ganz sicher ist das immer noch nicht, aber die Chancen stehen gut, dass ein Schutz, der schon sechs Monate hält, nicht sofort zerfällt. Beide Studien sind schon als Pre-Print öffentlich, aber noch nicht offiziell begutachtet.
Die Chancen stehen gut, dass ein Schutz, der schon sechs Monate hält, nicht sofort zerfällt.
Man hört immer wieder, dass die schützenden Antikörper nach einer gewissen Zeit verschwinden. Habe ich das falsch verstanden?
Nein, die Antikörper verschwinden mit der Zeit. Das zeigen viele Studien. Aber das ist eigentlich ganz normal: Das Immunsystem produziert sie, um das Virus zu bekämpfen. Es dauert etwa zehn Tage, bis das richtig hochgefahren ist. Wenn die Infektion ausgestanden ist, verschwinden die Antikörper auch allmählich wieder aus dem Blut. Das passiert langsam, und es geht auch nicht unbedingt ganz auf null. Aber die aktive Abwehr ist erst einmal verschwunden.
Die Frage war jetzt: Ist damit auch der Schutz gegen eine zweite Infektion weg? Inzwischen spricht viel dafür, dass unser Immunsystem über das zelluläre Immunsystem einen Schutz aufbaut, der auch dann noch da ist, wenn die Antikörper-Level im Blut längst abgesunken sind.
Was ist mit den Menschen, die sich zweimal infizieren?
Etwa zwei Dutzend Fälle weltweit sind inzwischen sicher nachgewiesen, und es gibt noch ein paar hundert Verdachtsfälle. Auf dem aktuellen Stand sind das Ausnahmen und nicht die Regel – weil nicht jedes Immunsystem gleich reagiert und es nicht jedem Körper gelingt, den Immunschutz aufzubauen.
Wären Hinweise auf eine stabile Immunität «Good News» im Zusammenhang mit Impfungen?
Wenn sich das weiter erhärtet, heisst das, dass es nicht alle paar Monate Auffrischungsimpfungen brauchen wird. Dann würde die Immunität, wenn sie einmal da ist, eine Weile halten.
Wenn sich das weiter erhärtet, heisst das, dass es nicht alle paar Monate Auffrischungsimpfungen braucht.
Zusammenfassend ist also das Bild immer noch nicht ganz eindeutig. Aber es ist um einiges positiver als vor ein paar Monaten, als man noch fast gar nichts über die Immunität sagen konnte. Diese Vorsicht vor ein paar Monaten hatte gute Gründe, denn es gibt riesige Unterschiede von Krankheit zu Krankheit: Unser Immungedächtnis kann sich Masern super merken, aber wenn es zum Beispiel bestimmten Erkältungsviren begegnet, den RS-Viren, dann fängt es praktisch jedes Mal von vorne an. Corona liegt – danach sieht es inzwischen aus – immerhin irgendwo dazwischen.
Das Gespräch führte Nicoletta Cimmino.