Seit nunmehr 15 Jahren müht sich die Schweiz mit dem elektronischen Patientendossier (EPD) ab. Klammheimlich ist es nun da. Zeit, sich eines zu beschaffen.
Welche «Stammgemeinschaft» soll es sein? Obwohl es nur ein EPD gibt, gibt es derzeit sieben Anbieter, in Bürokratendeutsch «Stammgemeinschaft» genannt. Es sind «technisch-organisatorische» Verbünde, die auf kantonaler, regionaler oder nationaler Ebene tätig sind.
Alle Anbieter müssen ein Zertifizierungsverfahren durchlaufen, das sicherstellt, dass sie die technischen und organisatorischen Anforderungen an die Datensicherheit erfüllen und untereinander kompatibel sind. Am besten wählt man einen Anbieter, der in der Nähe des Wohnorts eine «Eröffnungsstelle» betreibt, denn derzeit muss man bei einigen noch physisch antraben, um seine Identität zu beweisen. Bei «Emedo» ist seit kurzem eine Anmeldung möglich, fast ohne das Haus verlassen zu müssen.
Beweisen, dass ich der bin, der ich bin: Dazu müssen wir uns die App «Trust ID» herunterladen, einige personenbezogene Daten angeben wie Name und Adresse – und dann verbindet sich die App in ein Call-Center, wo ein Mitarbeiter per Video eine Identifikation durchführt. Wichtig: Identitätskarte bereithalten.
Ohne Papierkram geht es nicht: Ein Formular mit den Angaben wird angezeigt, die wir bei der «Trust ID» gemacht haben. Die sollen wir überprüfen und fehlende Informationen ergänzen und auf «Einwilligungserklärung absenden» klicken. Der Anbieter prüft nun unseren Antrag.
Ein paar Tage später erhalten wir die Zugangsdaten und die Einwilligungserklärung per Post. Letztere müssen wir unterschreiben und zurückschicken – dieses eine Mal müssen wir das Haus also doch verlassen, um den Brief auf dem Postschalter aufzugeben.
Eine graue Maus: Wenn der Anbieter das Papier erhalten und unser EPD freigeschaltet hat, können wir uns einloggen. Die Spannung steigt. Nach mehrmaligem Kicken sind wir drin. Und – nach 15 Jahren warten – enttäuscht.
Das EPD des Anbieters «Emedo» ist nicht viel mehr als eine «Dropbox», gehalten im Stil einer Webseite der Nullerjahre, grau in grau. Nur ein Button, der ab und zu kaum wahrnehmbar unten rechts erscheint, bringt einen dunkelblauen Farbtupfer. Offensichtlich soll uns keine Farbe davon ablenken von den Dingen, die wir jetzt tun können.
Die Ernüchterung: Die Dinge, die wir tun können, sind: Dokumente hochladen. Zum Beispiel ein PDF mit Laborwerten, das uns ein grosses Schweizer Labor per A-Post zugeschickt hat. Das bedeutet nun: Dokument zuerst scannen.
Direkt ins EPD rein, geht das also noch nicht. Das wäre eigentlich die Idee. Genau hier liegt der Hund begraben: Solange nicht alle Akteure im Gesundheitswesen mitmachen (müssen), bringt das EPD nicht viel.
Die Farbgestaltung macht Sinn: Das Design des EPD lässt vermuten, dass da in den nächsten (15?) Jahren noch was kommen kann: Das helle Silbergrau vermittelt Hoffnung und steht als Zeichen des Aufbruchs, den «Silberstreifen am Horizont». Wobei das dunkle Grau eher bedrückende Stimmung verbreitet und an einen trüben Wintertag erinnert, der unserer Stimmung nicht gerade förderlich ist. Genau diese Ambivalenz steckt derzeit im EPD.
Davon sollten wir uns nicht abhalten lassen, ein EPD zu eröffnen. Denn wenn das möglichst viele tun, steigt der Druck auf die «Leistungserbringer» im Gesundheitswesen, beim EPD mitzumachen und es weiterzuentwickeln.
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