Seit seiner Einführung liegt das elektronische Patientendossier auf dem Krankenbett. Es gibt keine zentrale Stelle, welche die Patientendossiers anbietet, sondern mehrere regionale «Stammgemeinschaften», die sich in einem komplizierten Verfahren zertifizieren lassen müssen. Gerade mal sieben Stammgemeinschaften haben diese Hürde bisher geschafft, lediglich 8000 Patientendossiers sind bis Ende März eröffnet worden.
So geht es nicht weiter, stellt jetzt der Bundesrat fest. Er hat deshalb das Gesundheitsdepartement von Bundesrat Alain Berset beauftragt, das Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier «umfassend» zu revidieren. Bei den Betroffenen atmet man auf. Samuel Eglin, Geschäftsführer der grössten Stammgemeinschaft Axsana, die seit Anfang Jahr 14 Kantone abdeckt, sagt: «Die Richtung ist sehr gut, darüber sind sehr froh. Kritisch wird nun die Umsetzungsgeschwindigkeit sein.»
Faktisch hat der Bundesrat erst Eckwerte beschlossen. So will er sich vom Parlament die Kompetenz geben lassen, Regeln für alle Stammgemeinschaften zu erlassen. Den Betrieb der Stammgemeinschaften sollen die Kantone bezahlen, findet der Bundesrat. Er will einzig die Kosten für die Weiterentwicklung der Systeme übernehmen. Heute müssen nur Spitäler, Pflegeheime und neu zugelassene Ärztinnen und Ärzte ihre Unterlagen zwingend in elektronischen Patientendossiers hinterlegen.
Künftig sollen alle ambulant tätigen Gesundheitsfachpersonen verpflichtet werden, ein Dossier zu führen. Auch in Zukunft soll es jeder Schweizerin und jedem Schweizer freigestellt bleiben, ob sie oder er ein elektronisches Patientendossier möchte. Der Bundesrat stellt allerdings auch ein Modell zur Diskussion, bei dem man ausdrücklich die Eröffnung eines Patientendossiers ablehnen müsste, sonst würde es automatisch eingerichtet. Dieses «opt-out»-Modell werde von ihm «bevorzugt», schreibt der Bundesrat.
Forschende sollen Zugriff auf die Daten der Patientendossiers erhalten, wenn die Patientinnen und Patienten dies ausdrücklich bewilligen. Krankenkassen hingegen nicht. Was der Geschäftsführer der Axsana-Stammgemeinschaft hingegen vermisst, ist der Entscheid, die bereits bestehenden Systeme technisch zu vereinheitlichen. Denn zurzeit würden parallel vier verschiedene Systeme laufen, die völlig redundant seien, sagt Eglin: «Sämtliche Weiterentwicklungskosten auf den technischen Systemen haben wir in der Schweiz vierfach. Das macht keinen Sinn und ist letztlich für die Steuerzahlenden auch nicht zumutbar.»
Wir hoffen, dass der Gesetzgebungsprozess jetzt zügig an die Hand genommen und rasch umgesetzt wird.
Wesentlich sei, dass der Bundesrat vorwärts mache, betont Eglin. Denn zurzeit sei die Finanzierung der Stammgemeinschaften überhaupt nicht gesichert. Bis zur Einführung des Patientendossiers habe der Gesetzgebungsprozess zehn Jahre gedauert. «Solange werden wir nicht mehr warten können. Von daher hoffen wir, dass der Gesetzgebungsprozess jetzt zügig an die Hand genommen und rasch umgesetzt wird.»
Der Bundesrat ist sich bewusst, dass die Finanzierung der Stammgemeinschaften über kurz oder lang zum Problem wird. Er lässt deshalb gleichzeitig eine Vorlage für eine Übergangsfinanzierung ausarbeiten, die «Finanzhilfen» an Stammgemeinschaften vorsieht, bis die Revision des Bundesgesetzes eine neue Finanzierungsgrundlage liefert. Allerdings: Auch diese Übergangsfinanzierung muss zuerst noch durchs Parlament. Die Frage wird sein, ob das kränkelnde elektronische Patientendossier solange überlebt.