Am Anfang waren der Pfarrer und die religiöse Unterweisung der Kinder. Denn nicht die Frauen gründeten den Mütterverein, sondern eben der Pfarrer. «Ein solcher Verein ist heutzutage von besonderer Wichtigkeit und Bedeutung. Denn leider wird dermalen in vielen Familien die religiös-sittliche Erziehung vernachlässigt...», heisst es in den ersten Vereinsstatuten. Unterschrieben wird die lateinische Gründungsurkunde vom Bischof persönlich.
«Die katholische Weltanschauung an die Kinder weiterzugeben, das war in jener Zeit sehr wichtig», sagt Susanne Grüter, die lange Jahre Vorstandsmitglied der Frauengemeinschaft Cham war. Religiöse Vorträge, aber auch die Unterstützung von bedürftigen Familien – das waren die Kernaufgaben des Vereins, der noch lange klar hierarchisch strukturiert und vom Pfarrer beaufsichtigt war.
Erst in den 1960er-Jahren kam es zu einer steten Säkularisierung der Aktivitäten, und die Frauen erhielten Schritt für Schritt mehr Autonomie. Auch wenn die Frauen noch immer Maiandachten, Wallfahrten oder Roratemessen gestalten und organisieren, so sind heute Kurse und Referate aller Art oder die Angebote für Familien oder Seniorinnen und Senioren die Hauptaufgabe.
Heute versteht sich die Frauengemeinschaft auch als Brücke zur Integration für neu zuziehende Frauen. So hat es auch die Co-Präsidentin Margit Conrad erlebt: «Es ist eine super Gelegenheit, um sich zu vernetzen. Ich selber stamme aus Deutschland. Oft höre ich auch von Frauen, die aus anderen Teilen der Schweiz zugezogen sind, dass ihnen die Frauengemeinschaft die Gelegenheit gab, sich hier in Cham zu verwurzeln. Das finde ich unheimlich toll.»
Die Frauengemeinschaft sei mitnichten ein Auslaufmodell, findet auch Co-Präsidentin Susanne Staub. «Ich selber bin aus der Stadt Zürich und kenne die städtische Anonymität, die ich auch schätze; aber je länger ich in Cham bin, desto wichtiger finde ich, dass man die Werte der Frauengemeinschaft auch in Zukunft weiter pflegt.»
Zum 100-Jahr-Jubiläum hat sich die Frauengemeinschaft selbst ein Geschenk gemacht. In einem eigens konzipierten «Frauenstadtrundgang» werden Chamer Frauengeschichten aus den letzten 100 Jahren lebendig, die bisher noch nirgends zu hören oder zu lesen waren.