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1 Jahr vor den Wahlen Ist E-Voting gut oder gefährlich für die Demokratie?

Von IT-Fachleuten kommt heftiger Widerstand gegen das E-Voting: Zu unsicher, zu gefährlich, lauten die Argumente. Aber der Bund will sich davon nicht beirren lassen und E-Voting schweizweit einführen.

Wir zahlen unsere Rechnungen per E-Banking und buchen unsere Hotelnacht in Paris online. Nun soll auch das Abstimmen und Wählen elektronisch erledigt werden können. Daneben wird es immer noch die bisherigen Möglichkeiten geben, per Brief oder persönlich im Wahl- oder Stimmlokal. Jeder kann selber entscheiden, wie er seine Stimme abgibt.

Sicher und modern

Man müsse zu den Bürgern gehen, dorthin, wo sie sich aufhielten – nämlich im Netz, sagt Barbara Schüpbach, Staatsschreiberin des Kantons Basel-Stadt. «Mit E-Voting gibt es keine ungültigen Stimmen mehr.» Schüpbach ist auch Präsidentin der kantonalen Staatsschreiber-Konferenz. Zusammen mit den anderen kantonalen Staatsschreibern ist sie für die Umsetzung des E-Voting-Projekts in den Kantonen zuständig.

E-Voting geht an die Grundlagen der Demokratie, es ist sehr gefährlich, weil man ein solches System nicht sicher machen kann.
Autor: Volker Birk IT-Experte

Sie hebt auch den Spareffekt hervor, obwohl die Einführung in jedem Kanton zunächst Mehrkosten verursachen wird. Das Abstimmungsbüchlein, die Wahllisten, all das falle dafür aber weg. Zudem sei entgegen anderer Meinungen beim elektronischen System sogar nachzählen möglich. «Wir bauen das sehr sicher, das müssen Sie und ich unseren Experten glauben», betont Schüpbach weiter. Es habe doch keiner ein Interesse daran, das E-Voting nicht sicher zu machen.

Gefährlich und unsicher

IT-Experte Volker Birk aus Winterthur ist anderer Meinung. Aktuelle E-Voting-Systeme liessen kein Nachzählen zu. Der Software-Architekt wehrt sich zusammen mit seinen Kollegen im Chaos Computer Club Schweiz, kurz CCC-CH, vehement gegen die Einführung der elektronischen Stimmabgabe: «E-Voting geht an die Grundlagen der Demokratie. Es ist sehr gefährlich, weil man ein solches System nicht sicher machen kann.»

Mit E-Voting gibt es keine ungültigen Stimmen mehr.
Autor: Barbara Schüpbach Präsidentin der kantonalen Staatsschreiber-Konferenz

Die Schweiz könne doch nicht die gesamte Demokratie einfach ein paar Ingenieuren anvertrauen. Für den Bürger sei das System nicht nachvollziehbar. Er müsse darauf vertrauen, dass die IT-Experten das Richtige tun. Volker Birk warnt auch eindringlich vor der Einmischung von fremden Mächten: «Die Geheimdienste aus den USA, China und Russland reiben sich schon die Hände, um das Ganze zu manipulieren.»

Mit dieser Meinung ist Volker Birk nicht allein. Auch im Parlament gibt es Widerstand. Er kommt aus verschiedenen politischen Lagern. In der Herbstsession wurden zwei Vorstösse bachab geschickt. Darunter jener von SVP-Nationalrat Franz Grüter. Er forderte, dass Versuche zur elektronischen Stimmabgabe während 5 Jahren ausgesetzt werden. Aber der IT-Unternehmer gibt noch nicht auf. Etwa im Januar 2019 will er mit der Unterschriftensammlung für eine Volksinitiative beginnen.

Die Geheimdienste aus den USA, China und Russland reiben sich schon die Hände, um das Ganze zu manipulieren.
Autor: Volker Birk IT-Experte

In Deutschland, der Heimat von Volker Birk, hat das Bundesverfassungsgericht Wahlcomputer gestoppt. Zu wenig transparent sei das für den Bürger, so das Urteil. Für den IT-Fachmann ist das ein Grund mehr, misstrauisch zu sein. Auch deshalb engagiert er sich dagegen. Er will die Schweiz aufrütteln, das Land sei ihm wichtig, weil er schon lange hier lebe.

Auch die meisten anderen Länder misstrauen der elektronischen Stimmabgabe
Autor: Volker Birk IT-Experte

Als Deutscher kann er in der Schweiz nicht wählen. Er reist dafür immer zurück nach Lindau am Bodensee. Birk will seinen Wahlzettel persönlich abgeben. Auch die meisten anderen Länder misstrauten der elektronischen Stimmabgabe.

Exot Estland

Eine Ausnahme in Europa ist das kleine Estland. Seit 2005 schon ist E-Voting dort zugelassen. Trotz 13 Jahren Erfahrung nutzen aber erst ein Viertel der Stimmbürger E-Voting.

Auch für eine höhere Beteiligung bei Wahlen eignet sich E-Voting offenbar nicht. Genf hat seinen letzten Wahlgang im April ausgewertet. Verglichen mit der Wahl davor, lag die Wahlbeteiligung sogar tiefer.

Kantone testen E-Voting

Trotzdem will der Bund jetzt vorwärts machen. Er sorgt für die gesetzliche Grundlage mit einer Änderung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte. Der Entwurf soll noch in diesem Jahr in die Vernehmlassung geschickt werden. Die bisherigen Gesamtkosten von 2000 bis Ende 2017 beim Bund belaufen sich auf 15 Millionen Franken. In den Kantonen entstehen zusätzliche Kosten. Basel-Stadt etwa hat knapp 6 Millionen bewilligt.

Basel-Stadt gehört zu jenen acht Kantonen, die E-Voting in einer Versuchsphase testen. Neben dem Aargau, Bern, Freiburg, Genf, Luzern, Neuenburg und Sankt Gallen. E-Voting steht in einigen Kantonen nur Auslandschweizern zur Verfügung. In anderen können auch Behinderte elektronisch abstimmen oder alle Stimmbürger. Die Kantone sind aber nicht zur Einführung verpflichtet. Sie können die Einführung von E-Voting auch ablehnen.

Bis zur definitiven und schweizweiten Einführung könnte es noch eine Weile dauern.

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