Die Corona-Fallzahlen sind in der Schweiz seit Tagen sehr hoch. Die meisten Infektionen geschehen dort, wo Massnahmen nicht greifen: im privaten Bereich. Infektiologe Jan Fehr gibt Tipps für einen sicheren Alltag.
Braucht es bei Omikron ein Umdenken beim Testen? Nein. Man soll sich gleich testen wie bei der Delta-Variante, einfach noch disziplinierter. Sobald man Krankheitssymptome spürt, soll man sich testen lassen. Wenn man zu einer besonders gefährdeten Personengruppe gehört, dann am besten gleich mit einem PCR-Test – das bietet die grösste Sicherheit. Ich plädiere auch für präventives Testen. Wenn man Leute trifft, soll man vorher untereinander abgesprochen einen Selbsttest machen. Die Selbsttests sind nicht perfekt, aber man soll sie oft einsetzen. Das scheint mir vernünftig. Man soll jetzt mit Omikron die Kontakte so sicher wie möglich machen. Aber wichtiger als das Testen sind die Impfungen. Alle Menschen sollen sich impfen und boostern lassen.
Wie sicher sind Restaurant-Besuche noch? Es kommt auf die Räumlichkeit und die Infrastruktur des Restaurants an und auf die Leute in der Nähe und mit denen man am selben Tisch sitzt. Eher sicher fühle ich mich in einer hohen, grossen Halle mit guter Lüftung, mit wenigen Tischen und mit Leuten am Tisch, deren Impfung weniger als vier Monate zurückliegt, respektive die ihren Booster schon hatten, respektive die vor dem Treffen einen negativen Selbsttest gemacht haben – was de facto ein 2G plus ist. Gar nicht mehr wohl fühle ich mich in einem kleinen Restaurant, das zwar gemütlich ist, aber wo die Menschen eng beieinander sitzen und ich auch keine Ahnung habe, ob jemand einen guten Immunschutz hat oder nicht. Die Tröpfchen und Aerosole können hier oftmals schlecht weichen, da es selten einen Luftabzug gibt – man ist Omikron dann stark ausgesetzt. Klar ist: Masken minimieren überall das Risiko – auch in einem Restaurant; deshalb beim Aufstehen konsequent die Maske tragen. Am sichersten ist es aber im Aussenbereich des Restaurants. Man kann sich im Winter mit Wolldecken wärmen, oft gibt es auch Wärmestrahler, die zwar ökologisch bedenklich sind, in der momentanen Situation aber Sinn ergeben.
Ein Kino-Besuch ist unbedenklicher als ein Restaurant-Besuch.
Soll ich noch ins Kino gehen? Ein Kino-Besuch ist unter Omikron-Voraussetzungen unbedenklicher als ein Restaurant-Besuch, vor allem dann, wenn es ein grosser Kinosaal ist, wo man weit auseinander sitzt und eine Maske trägt. Wenn man die Maske aber für jedes Popcorn ablegt, sieht es wiederum anders aus. Ist die Lokalität eng und niedrig, ist es für Omikron einfacher, neue Wirte zu finden. Ein Problem beim Restaurant ist es, dass man die Maske nicht durchgängig tragen kann, beim Kino-Besuch ist das hingegen machbar. Und: Einen Film zu schauen, ist eine ruhige Angelegenheit – es gibt kaum Aerosol-Entwicklung.
Eine Familie kommt zu Besuch. Ist jetzt wegen Omikron immer 2G plus nötig? Bei Besuchen begrüsse ich 2G plus (geimpft, genesen und getestet) mit Selbsttests sehr. Man soll die Massnahmen ausschöpfen, die man privat zur Verfügung hat, denn der Bund setzt im Gegensatz zu den umliegenden Ländern bislang auf weniger allgemein verlangte Kontaktbeschränkungen, sodass alle im Alltag umso mehr gefordert sind. Bei noch nicht geboosterten Personen über 65 Jahre oder bei immunsupprimierten Menschen soll man sich aber immer fragen, ob der Besuch wirklich sein muss. Falls ja, würde ich vorher ins Testzentrum gehen und dort unter fachkundiger Unterstützung einen Schnelltest oder einen PCR-Test machen lassen. Auch ein Same-Day-PCR-Test (Testresultat ist nach wenigen Stunden verfügbar) ist eine interessante Möglichkeit, um das Ansteckungsrisiko zu minimieren. Aber da ist es eine Frage der Verfügbarkeit. Auch die Masken bieten immer einen guten Schutz. Die beste Möglichkeit ist es aber, sich draussen zu treffen. Wieso nicht das Teetrinken in der Stube durch einen Spaziergang in der Natur ersetzen? Die sozialen Kontakte sind sehr wichtig für unser Wohlergehen – ich bin froh, dass wir in der Schweiz nicht in einem rigorosen Shutdown sind, allerdings müssen wir uns im Klaren sein, dass wir uns auf sehr dünnem Eis bewegen und wir auch von einem Moment auf den anderen einbrechen können.
Die beste Möglichkeit ist es, sich draussen zu treffen.
Wie oft soll ich lüften? Da braucht es den gesunden Menschenverstand. Alle 15 bis 20 Minuten lüften macht Sinn – aber richtig lüften. Die stehende Luftmasse muss verlüftet werden. Es macht daher weniger Sinn, das Fenster während Stunden immer drei Zentimeter offenzuhalten. Auch ein CO₂-Messgerät ist sinnvoll. Man sollte zum Beispiel auch die Stubentüre offen lassen. Alles, was einem Raum mehr Volumen gibt, ist gut.
Macht Händewaschen immer noch Sinn? Das hat nach wie vor einen Stellenwert. Aerosole und Tröpfchen sind zwar beim Coronavirus wichtiger als Kontaktflächen, wozu auch die Hände gehören. Aber wenn man mit den Händen mit SARS-CoV-2 in Berührung kommt und danach die eigenen Schleimhäute anfasst, dann ist das nach wie vor ein Übertragungsweg des Virus. In der kalten, trockenen Jahreszeit ist es wichtig zu beachten, dass man die Hände gut pflegt und eincremt, damit es keine Risse gibt, welche wiederum Eintrittspforten für andere Keime bieten.
Wie sollen wir uns begrüssen? Der Handschlag in der Öffentlichkeit ist gerade nicht so angesagt. Eher sollte auf den eleganten Ellenbogen- oder den Faustshake zurückgegriffen werden. Wenn man den Impfbooster-Status in der Familie kennt, kann man sich gerne umarmen. Wir Menschen brauchen Nähe, das ist extrem wichtig. Wenn man sich umarmt, dann soll das nicht in Gesicht-zu-Gesicht-Manier erfolgen, sondern mit einem gewissen Abstand der Gesichter. Aber wir dürfen uns auch nicht verrückt machen lassen. Es gilt auch hier der gesunde Menschenverstand.
Wie sicher sind Besuche im Fitnessstudio? Das sehe ich skeptisch. Fitnesscenter sind Orte, bei denen man sich schon überlegen muss, ob die momentan mit Omikron noch geöffnet sein müssen. Wenn schon geöffnet, dann sollten einfach die maximalen Massnahmen gelten. 2G plus (2G mit negativem Test), permanente gute Belüftung und überall wo es möglich ist: Maskenpflicht. Im Fitnessstudio werden Tröpfchen und viele Aerosole produziert, man atmet stark beim Training. Die Gefahr vor Ansteckungen ist deutlich grösser als zum Beispiel im Kino. Wiederum kann man hier auch etwas steuern, wenn man zu Randzeiten, bei wenigen Besuchern, ins Fitnessstudio geht.
Soll ich vermehrt das Auto nehmen anstatt den ÖV? Mein Appell an alle Menschen in den öffentlichen Verkehrsmitteln: Zieht die Maske korrekt an. Eine Maske unter der Nase getragen bringt nichts. Stosszeiten meiden und falls dies nicht geht und man nah aufeinander ist, dann kann eine – wiederum korrekt getragene – FFP2-Maske gute Dienste leisten. Am besten soll man mit dem Velo zur Arbeit fahren oder laufen, falls es die Umstände erlauben. Damit schützt man sich nicht nur vor einer Krankheit, sondern tut sogar noch aktiv etwas für die eigene Gesundheit.
Skifahren war noch nie das Problem. Das Problem sind die Gondeln und die Restaurants.
Wie sicher ist Skifahren? Skifahren war noch nie das Problem. Das Problem sind die Gondeln und die Restaurants. Die Gondeln verfügen über taugliche Konzepte: Maskenpflicht, gutes Durchlüften, nicht überfüllter Betrieb. Wenn es schönes Wetter ist, sollte man das Zmittag auf der Terrasse des Restaurants einnehmen. Das grösste Problem sehe ich beim Après-Ski. Wenn man drinnen ist, der Alkohol fliesst, die Stimme lauter wird und die Disziplin schwindet, sich an Schutzmassnahmen zu halten.
Wie sicher ist der Besuch eines Fussballspiels? Es ist momentan nicht die Zeit für Grossveranstaltungen. Ich würde von einem Matchbesuch abraten. Man ist im Stadion meist nahe aufeinander, es ist hitzig, man kommt ins Spielfieber. Der Fan schreit aus voller Kehle, man steht oder sitzt voll im Tröpfchen- oder Aerosol-Regen des Nachbarn. Ein Fussballstadion ist in Zeiten von Omikron kein sicherer Ort. Aber auch hier minimieren Masken das Infektionsrisiko.
Kann sich Omikron auch im Freien übertragen? Draussen ist das Omikron-Infektionsrisiko ganz klar vermindert. Es ist der beste Ort, um das Infektionsgeschehen zu senken. Ausser, man ist sehr nahe beieinander und singt wie im Fussballstadion. Wenn immer möglich macht es Sinn, Aktivitäten nach draussen zu verlegen. Wir haben es also in der Hand und können viel dazu beitragen, dass der Omikron-Sturm, welcher über das Land zieht, nicht zum Tsunami wird.