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22 Jahre an der Spitze Stapferhaus: Dank ihr konnten die Gäste im Geld baden

Sie machte das Stapferhaus zu einem der erfolgreichsten Museen der Schweiz. Jetzt hört Sibylle Lichtensteiger auf.

Der Museumsbesucher sitzt im sterilen Wartezimmer. «Wie lange muss ich wohl hier sitzen?», fragt er sich, während er auf dem Stuhl ungeduldig hin und her rutscht. Ein Gefühl der Spannung macht sich breit, fast wie bei einem richtigen Arztbesuch.

Plötzlich wird die Stille durchbrochen. «Der nächste bitte!», sagt eine Stimme über Lautsprecher. Der Rundgang durch die Ausstellung «Hauptsache gesund!» beginnt.

Ausstellung «Hauptsache gesund!» im Stapferhaus

Das Stapferhaus neben dem Bahnhof Lenzburg im Kanton Aargau ist kein klassisches Museum, und genau das macht es vermutlich zu einem der erfolgreichsten Museen der Schweiz. Prägend dafür ist seit über 20 Jahren die Leiterin Sibylle Lichtensteiger.

Auszeichnung als bestes Museum Europas

Wie erfolgreich das Konzept ist, zeigt sich bei den Besucherzahlen: Rund 100'000 Gäste sind es pro Ausstellung. 2020 gewann das Stapferhaus zudem den europäischen Museumspreis – einen der wichtigsten Preise in diesem Bereich.

Damit dürfte Sibylle Lichtensteiger zu den erfolgreichsten Ausstellerinnen der Schweiz gehören.

Ich messe meinen Erfolg nicht in Zahlen oder Preisen.
Autor: Sibylle Lichtensteiger Ausstellungsleiterin Stapferhaus

Darauf angesprochen, winkt sie bescheiden ab. «Ich messe meinen Erfolg nicht in Zahlen oder Preisen», erklärt sie. «Das Team muss gut zusammenarbeiten, alle müssen am gleichen Strang ziehen. Das ist das, was eigentlich zählt.»

Eine Frau in grauem Pullover und offenen dunkelbraunen Haar.
Legende: Die 55-jährige Sibylle Lichtensteiger hat die Hälfte ihres Lebens im Stapferhaus verbracht, seit 22 Jahren leitet sie das Museum. ZVG/Anita Affentranger

Dieses Team hat in den letzten Jahren zig Ausstellungen organisiert, die zum Publikumsmagneten wurden. «Wir möchten die Menschen bewegen und zur Auseinandersetzung mit wichtigen Fragen anregen», betont Lichtensteiger.

Die Frage nach dem Glauben zum Beispiel. In der Ausstellung «Glaubenssache» mussten sich die Gäste am Eingang entscheiden, ob sie durch die Türe der Gläubigen oder Ungläubigen gehen. Die grössten Diskussionen hätten vor diesen Türen stattgefunden, erzählt die Ausstellungsmacherin.

Ein Mann in schwarzer Kleider sitzt in einem Haufen Fünfräppler.
Legende: Während der Ausstellung «Geld – jenseits von Gut und Böse» konnten die Besuchenden 2014 in einem Tresor in Geld baden. Vier Millionen Fünfräppler bescherten den Gästen einen Dagobert-Duck-Moment. Keystone/Steffen Schmidt

Besonders oft würden sich die Gäste an den Tresorraum in der Ausstellung «Geld – jenseits von Gut und Böse» im Jahr 2014 erinnern, so Lichtensteiger. Wie Dagobert Duck konnten die Gäste im Geld baden – im wahrsten Sinne des Wortes. «Die Resonanz zeigt mir, dass die sinnliche Erfahrung wichtig ist. Wir machen Dinge physisch erlebbar.»

Druck auf Stapferhaus ist gewachsen

In den 22 Jahren als Leiterin hat sich viel verändert. «Als ich angefangen habe, gab es knapp eine Homepage und ein E-Mail-Postfach», erzählt Lichtensteiger schmunzelnd. «Jetzt sind wir auf zig Kanälen aktiv. Wir müssen mithalten, dürfen nicht stehenbleiben.»

Alles ist komplexer, grösser und teurer.
Autor: Sibylle Lichtensteiger Ausstellungsleiterin Stapferhaus

Auch der Druck auf das Stapferhaus sei gewachsen. «Mit dem Erfolg haben die Gäste eine höhere Erwartungshaltung», sagt die Ausstellungsleiterin. In Zeiten von Smartphones und der Digitalisierung müsse alles perfekt und intuitiv sein. «Alles ist komplexer, grösser und teurer geworden.»

Finanziell stehe das Stapferhaus gut da. Die nächste Ausstellung ist bereits in Planung. Entstehen wird diese jedoch nicht mehr unter der Leitung von Sibylle Lichtensteiger. Ende Jahr verlässt sie das Stapferhaus. «Mit einem weinenden und einem lachenden Auge», wie sie betont.

Ein Museumsgebäude von Aussen.
Legende: In Zukunft übernehmen drei bisherige Teammitglieder die Co-Leitung des Stapferhauses in Lenzburg. ZVG/Oliver Lang

«Während einem Sabbatical habe ich den Entscheid gefällt. Ich habe die Hälfte meines Lebens im Stapferhaus verbracht – jetzt ist es Zeit für etwas Neues.»

Was Sibylle Lichtensteiger in Zukunft machen wird, weiss sie noch nicht so genau. «Das Stapferhaus war eine grosse Liebe. Jetzt habe ich Lust auf verschiedene Projekte und möchte auch mal auf mehr als einer Hochzeit tanzen.»

Echo der Zeit, 20.12.2024, 18:00 Uhr ; 

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