Seit 19 Tagen steht das öffentliche Leben in der Schweiz praktisch still – vor nunmehr drei Wochen hat der Bundesrat die Massnahmen angekündigt. Schulen bleiben geschlossen, viele Läden ebenso, Versammlungen von mehr als fünf Personen sind untersagt. Die ganze Schweiz fragt sich: Wie lange dauert das Ganze noch? Und immer noch muss Bundesrat Alain Berset die Schweizerinnen und Schweizer vertrösten.
SRF News: Herr Bundesrat, die nächsten Tage wird es warm. Was heisst das bezüglich Verhaltensregeln und Massnahmen - und wo stehen wir überhaupt?
Alain Berset: Im Moment geht vieles in die richtige Richtung. Wir haben den Eindruck, dass die Massnahmen wirken, das ist ein gutes Signal. Aber es wird dauern – da müssen wir ehrlich sein. In China und in anderen Ländern hat es mehrere Monate gedauert. Wir versuchen, es so kurz wie möglich zu halten, aber wir sind noch nicht so weit.
Müsste man den Leuten nicht trotzdem jetzt schon zeigen, wie die Exit-Strategie aussieht?
Ich sage, es geht lange, und deswegen sprechen wir auch nicht über das Ende. Es gibt einen langsamen Übergang. Wenn wir es schaffen, dass der Berggipfel bald da ist, dann ist das auch noch nicht das Ende. Das wäre dann lediglich das Ende des Wachstums. Dann müssen wir wieder ins Tal zurück. Dann erst können wir die nächsten Schritte machen. Wir müssen auch wissen, dass das die Natur entscheidet. Und die Erfahrung von anderen Ländern zeigt: Es dauert.
Der Kanton Zürich hat gestern gesagt: Wir testen jetzt alle, die ins Spital kommen. Das BAG sagt immer noch: Wir haben zu wenig Tests und wir testen nur Leute mit Symptomen. Werden Sie da nicht überrollt von einer neuen Entwicklung?
Wir sind seit dem Anfang sehr transparent und sagen, wie es ist – auch, dass wir nicht alles wissen. Aber wir sagen auch alles, was wir wissen. Wir haben immer gesagt, wir müssen so viel testen wie möglich. Aber die Tests sind sehr gefragt, überall auf der Welt. Es ist nicht so einfach, so viele Tests zu haben, darum müssen wir die Tests so effizient wie möglich einsetzen.
Aber die Kapazitäten wurden stark erhöht und man hört von Spitälern, die die Kapazität nicht ausschöpfen. Könnte man mehr testen?
Wir konnten viele Tests kaufen und sind in der Zwischenzeit eines der Länder auf der Welt, die am meisten testen. Wir sind schon bei 17‘000 Tests pro Million Einwohner – das ist viel mehr als in der überwiegenden Mehrheit der anderen Länder. Aber wir sind noch nicht am Ziel. Es gibt auch jetzt schon langsam die serologischen Tests, die würden es erlauben, mehr zu erfahren. Diesen Ansatz müssen wir unbedingt weiterentwickeln.
Es könnte also sein, dass das BAG bald schon dazu übergeht, flächendeckend zu testen?
Das würde bedeuten, acht Millionen Personen zu testen. Wenn es keine Symptome gibt, macht ein Test nach wie vor keinen Sinn. Das kostet ohne Nutzen. Deswegen ist die Effizienz wichtig. Aber wir müssen in der Schweiz eine gewisse Harmonisierung finden.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft Schutzmasken. Österreich hat ab Montag die Tragpflicht in allen Geschäften. Es gibt auch immer mehr Experten, die Schutzmasken doch eine Wirkung zusprechen. Müsste man das jetzt nicht ändern?
Wir beobachten die Situation und verändern die Strategie in der Minute, in der es notwendig ist. Seit Beginn sagen wir und das BAG: Es ist eine schwierige Situation, wir wissen wenig über das Virus. Wir müssen sehr flexibel bleiben und uns anzupassen. Was heute gilt, gilt vielleicht übermorgen nicht mehr. So wird es weiter bleiben. Im Moment ist es sehr bescheiden, was Masken gesunden Personen bringen. Es kann auch eine negative Wirkung haben: Masken geben den Eindruck, dass man geschützt ist. Das ist man nicht.
Aber ja, Masken sind ein knappes Gut, und wir müssen sie so einsetzen, dass es Sinn macht. Dennoch: Eine Entwicklung der Strategie ist nie ausgeschlossen. Wir versuchen, eine Krise zu meistern. Und Flexibilität in einer solchen Situation ist das Wichtigste.
Das Gespräch führte Christoph Nufer.