Vermutet haben es die Luzerner Archäologinnen und Archäologen schon länger. Jetzt sind sie sich sicher. Der Grund, auf dem heute die Stadt Luzern steht, war bereits vor 3000 Jahren besiedelt. Reste einer Pfahlbausiedlung, die im Luzerner Seebecken kürzlich entdeckt wurden, beweisen es. Archäologin Anna Kienholz ist begeistert. «Die Stadt Luzern wird 1800 Jahre älter als sie bis jetzt war.»
Siedlung aus der Bronzezeit
Bislang reichten die ältesten Belege für eine Siedlung in Luzern ins 8. Jahrhundert nach Christus zurück. In schriftlichen Quellen ist ein früheres Kloster bei der Hofkirche erwähnt. Auf dem Stadtgebiet sind zwar vereinzelt ältere Funde wie römische Münzen aufgetaucht, doch der Hinweis auf eine ganze Siedlung fehlte. Bis jetzt. «Mit diesen Pfahlbauten haben wir nach 30 Jahren Forschung nun einen handfesten Beweis dafür, dass es hier eine Siedlung gab», sagt Anna Kienholz.
Entdeckt wurden die Pfahlbauten aus der Bronzezeit per Zufall. Als der städtische Energiekonzern eine Seewasserleitung bauen wollte, kamen rund 30 prähistorische Pfähle und fünf Keramikscheiben zum Vorschein. Die Fundstelle liegt rund 400 Meter vom Ufer entfernt und vier Meter unter dem Seespiegel.
Das Holz ist gut erhalten
Aufgrund dieser schwer zugänglichen Fundstelle begleiteten Spezial-Taucherinnen und -Taucher den Leitungsbau. Sie bargen die Holzpfähle und andere Fundstücke, bevor der Bagger im Seegrund buddelte. Ausgrabungen unter Wasser seien besonders schwierig, sagt Andreas Mäder von der Zürcher Unterwasserarchäologie, die mit ihren Leuten vor Ort ist. «Es dauert alles viel länger und kostet einiges mehr.»
Den geborgenen Pfählen sähe man sofort an, dass sie seit Tausenden von Jahren im Boden stecken – obwohl sie sehr gut erhalten sind. «Das Holz ist aussen ganz weich und innen hart. Sowas ist typisch für prähistorische Pfähle», sagt Mäder. Zudem seien sie auf eine spezielle Art zugespitzt. «Wahrscheinlich mit einem Bronzebeil.»
Eine potenzielle Fülle an urzeitlichen Schätzen
Wie gross die versunkene Pfahlbausiedlung tatsächlich ist, bleibt unklar. Es gibt Hinweise auf weitere Stätten. Doch: Aktuell beschränken sich die Ausgrabungen auf den Kanal für die Unterwasserleitung. «Die restlichen Pfähle bleiben vorerst im Boden», sagt Andreas Mäder. Da seien sie vor Sauerstoff und damit vor dem Zerfall geschützt. «Es bleibt ein Archiv im Boden.»
Wie die Forschung zur Stadtluzerner Pfahlbausiedlung weitergeht, sei noch nicht klar, bestätigt auch die Archäologin Anna Kienholz. «Das hängt davon ab, welche Forschungsfragen wir stellen und was überhaupt finanziert wird.» Es sei aber gut möglich, dass eine Fülle an urzeitlichen Schätzen im Luzerner Seegrund steckten. «Bei Pfahlbausiedlungen im Wasser findet man wegen des ausgebremsten Zerfalls auch organische Materialien wie etwa Textilien.»
Für die Forschungsarbeiten profitieren die Luzerner Archäologinnen und Archäologen von langjähriger Erfahrung mit Pfahlbausiedlungen. Im Kanton gibt es bereits drei Fundstellen, die seit zehn Jahren zum Unesco-Welterbe zählen: In Egolzwil, in Hitzkirch und in Sursee.