Nadja ist eine junge Frau, die letzten Sommer einige Wochen im Berner Frauenhaus gelebt hat. Mit ihrem kleinen Sohn ist sie vor ihrem Mann geflüchtet, der sie psychisch massiv unter Druck gesetzt hat. Nadja ist nicht ihr richtiger Name, sie hat Angst, dass ihr Ex-Mann sie erkennt.
«Er hat versucht mich zu kontrollieren», sagt Nadja gegenüber «Schweiz aktuell». «Ich hatte keinen Zugang zu meinem Pass, durfte nicht arbeiten, nicht einkaufen gehen. Er hat mich erniedrigt und unterdrückt, mir immer wieder gesagt, dass ich nichts könne und psychische Probleme habe.»
Ein neues Zuhause
Als sie vom Frauenhaus erfuhr, zögerte sie nicht und zog von zu Hause aus. Endlich konnte sie wieder aufatmen. «Als wir dort angekommen sind, haben sie mir ein neues Zuhause gegeben», dafür sei sie sehr dankbar, so Nadja.
Die Adresse des Berner Frauenhauses ist geheim. Die Sicherheitsvorkehrungen streng. Letztes Jahr haben insgesamt über hundert Frauen und Kinder hier Zuflucht gesucht. Das Haus mit seinen sieben Zimmern ist meistens voll besetzt.
Es kann sein, dass die Frau beleidigt, beschimpft und kontrolliert wird, eventuell darf sie eine Ausbildung nicht machen, bekommt zu wenig Geld für den Haushalt.
Die Frauen hier hätten oft eine Kombination von verschiedenen Gewaltformen erlebt, erklärt Sozialarbeiterin Anna Tanner. «Es kann sein, dass die Frau beleidigt, beschimpft und kontrolliert wird, eventuell darf sie eine Ausbildung nicht machen, bekommt zu wenig Geld für den Haushalt», so Tanner weiter. Dann komme noch die physische Gewalt dazu, das könne von Schlägen bis zu harten Tätlichkeiten wie Würgen, Körperverletzung oder gar Morddrohungen gehen.
Entstanden aus der Frauenbewegung
Anna Tanner zeigt uns das Haus. Es ist hell und freundlich, immer wieder sind Kinderstimmen zu hören. Die Frauen und Kinder bleiben zwischen 30 und 40 Tagen hier. Sie können sich neu orientieren, haben Zeit für ihre Kinder, können eine Wohnung suchen und eventuell einen neuen Job.
Das Frauenhaus ist in den 1980er-Jahren entstanden, aus der Frauenbewegung heraus. Wie die meisten Frauenhäuser in der Schweiz. Aufgebaut wurde die Institution von Freiwilligen. Jetzt hat sie sich etabliert, wird finanziert über Kantonsbeiträge und private Spenden. Anders als in den Anfängen ist Gewalt gegen Frauen heute kein Tabuthema mehr. Dafür sind neue Probleme aufgetaucht. Stichwort: Stalking.
Neue Medien – neue Probleme
«Die neuen Medien sind eine grosse Herausforderung für uns», sagt Anna Tanner. «Als Erstes raten wir den Frauen, das Handy abzustellen und die Ortungsdienste zu deaktivieren», so Tanner weiter. Dann suchten sie zusammen mit den Frauen individuelle Lösungen, wie beispielsweise eine neue Nummer oder ein neues Handy.
Wie perfide die neuen Medien eingesetzt werden können, hat auch Nadja erlebt. Ihr Mann hat sie in ihrem Umfeld schlecht gemacht und intime Fotos von ihr verschickt. Die Sozialarbeiterinnen und die anderen Frauen haben ihr geholfen, dass sie wieder angefangen hat, an sich zu glauben.
Mit diesem neuen Selbstvertrauen habe ich sehr schnell einen Job und auch eine eigene Wohnung für mich und mein Kind gefunden.
«Mit diesem neuen Selbstvertrauen habe ich sehr schnell einen Job und auch eine eigene Wohnung für mich und mein Kind gefunden», freut sich Nadja. Sie konnte ein neues Leben anfangen und sich von ihrem Ex-Mann trennen. Die Scheidung läuft.