Der eher kühle Sommer 2021 gehört zu den nassesten der vergangenen 100 Jahre. Demnach stimmten wettermässig eigentlich die Voraussetzungen, um den Schweizer Gletschern eine dringend benötigte Verschnaufpause zu verschaffen – erst recht nach den Schneemassen des vergangenen Winters. Doch das Volumen der Gletscher nahm auch 2021 um fast ein Prozent ab. Immerhin sind damit die Schweizer Gletscher so wenig geschrumpft wie seit acht Jahren nicht mehr, teilt die Akademie der Naturwissenschaften Schweiz mit.
Ende April lagen auf den meisten Gletschern nur leicht überdurchschnittliche Schneemengen. Der Mai brachte dann aber viel zusätzlichen Schnee im Hochgebirge. Auf dem Claridenfirn in den Glarner Alpen auf 2890 Metern über Meer wurde eine Schneehöhe von fast sieben Metern gemessen, der höchste Wert seit Beginn der Beobachtungen im Jahr 1914.
Einfluss des Klimawandels
Die Gletscher waren deshalb noch bis in den verregneten Juli relativ gut durch den Winterschnee geschützt. Dennoch war die Schmelze bis Ende September beachtlich. Schweizweit gingen während der letzten zwölf Monate rund 400 Millionen Tonnen Eis verloren – oder ein Prozent des verbleibenden Gletschervolumens.
Der Rückgang der Schweizer Gletscher in den letzten drei Jahrzehnten war immens – ein Extremjahr folgte dem nächsten. Aber in Zeiten des Klimawandels ist selbst ein «gutes» Jahr wie 2021 nicht gut genug für die Gletscher, heisst es in der Mitteilung der Akademie der Naturwissenschaften.
Geringster Eisverlust seit 2013
Auf über 20 Gletschern dokumentieren Messungen des Schweizerischen Gletschermessnetzes (GLAMOS) den Eisverlust. Obwohl die Verluste kleiner ausfielen als in den letzten Jahren, konnte für keinen der Gletscher ein Gewinn festgestellt werden. Am Rhonegletscher im nördlichen Wallis hat die mittlere Eisdecke knapp 20 cm abgenommen. Und am Silvrettagletscher im Kanton Graubünden ist der Rückgang des Eisvolumens kaum geringer als im Mittel der letzten zehn Jahre.
Er hat deutlich an Mächtigkeit verloren.
Auch wenn das Jahr 2021 den geringsten Eisverlust seit 2013 zeigt, sei für den Gletscher-Rückgang keine Entspannung in Sicht, sagt Glaziologe Andreas Bauder vom Departement Bau, Umwelt und Geomatik an der ETH Zürich. Er steht am Tor zum Silvrettagletscher, der zwischen 2500 und 3000 Metern über Meer noch immer mächtig erscheint. Doch der Riese schrumpft und weicht dem Fels.
Andreas Bauder zeigt nach oben, wo zwei Felsinseln sichtbar geworden sind. Vor fünf Jahren sei dort erst ein kleiner Teil der obersten Insel erkennbar gewesen. In dieser kurzen Zeit habe der Gletscher unten stark an Dicke verloren und das Gletschertor habe sich weit zurückgezogen. «Der Silvrettagletscher hat deutlich an Mächtigkeit verloren», sagt Andreas Bauder vor Ort. Insgesamt seien dieses Jahr über zwei Meter Eis auf der Gletscherzunge geschmolzen.