Über 100 Jahre lang gingen hier Patientinnen und Patienten ein und aus, ab nächster Woche ist es das Zuhause von geflüchteten Menschen: das ehemalige Tiefenauspital in der Stadt Bern. In den letzten neun Monaten hat der Kanton das Gebäude umgebaut.
Jetzt ist ein erster Teil bereit, 200 Personen werden vorläufig dort einziehen. Sukzessive kommen weitere Stockwerke hinzu. Genutzt wird nur, was benötigt wird. Maximal 820 Betten sind geplant. Damit wäre die Tiefenau-Unterkunft das grösste Asylzentrum der Schweiz. Es richtet sich an vorläufig aufgenommene Flüchtlinge und solche mit Schutzstatus S.
Von der Notfallstation zum Schulraum
Aus einem stillgelegten Spital ein Zuhause für Flüchtlinge schaffen – diese Idee ist nicht neu. Im Kanton Bern wurde bereits das Zieglerspital Bern zum Asylzentrum umfunktioniert. Und ab Anfang 2025 sollen auch im Spital Grosshöchstetten Flüchtlinge unterkommen.
Wir hatten wenig Umbauarbeiten, die Infrastruktur war in einem guten Zustand.
Warum eine solche Spital-Umnutzung Sinn macht, zeigt die neue Asylunterkunft Tiefenau exemplarisch. «Wir hatten wenig Umbauarbeiten, weil die Infrastruktur in einem guten Zustand war», sagt Manuel Michel, Vorsteher des Amts für Integration und Soziales Kanton Bern. Nur beim Brandschutz seien Anpassungen nötig gewesen.
Und: Es brauchte eine Kochinfrastruktur, damit die Geflüchteten ihr Essen selbst zubereiten können. Ausserdem wurden die Räume der früheren Notfallstation zu Schulzimmern umgestaltet. «Ansonsten konnten wir alles übernehmen», sagt Michel. Der Umbau kostete zwei Millionen Franken, eine weitere Million fliesst in die Infrastruktur und die Ausstattung.
Kinder gehen intern zur Schule
Nun stehen in den ehemaligen Krankenzimmern Kajütenbetten bereit, dazu Schränke mit Schliessfächern. Die Nasszellen befinden sich auf dem Gang. Einzelne Zimmer haben Dusche und Toilette integriert.
Die Einrichtung ist karg. Manuel Michel erklärt: «Wir sprechen hier von der ersten Phase: Die Leute kommen aus dem Bundesasylzentrum hierher, lernen die Sprache, suchen eine berufliche Beschäftigung, und sobald sie diese Ziele erreicht haben, ziehen sie weiter.» Allerdings, räumt er ein, gebe es auch Menschen, die über Jahre in einer solchen Unterkunft leben.
Etwas lebendiger sind die Schulräume. An den Wänden hängen Bilder, in den Gestellen stehen Bilderbücher. Vorerst gibt es eine Gesamtschulklasse mit zwei Lehrpersonen. Wenn die Kinder über genügend Deutschkenntnisse verfügen, sollen sie in die Regelschule integriert werden.
Unterirdische Anlagen werden geschlossen
Ist eine interne Schule keine Hürde für die Integration? Manuel Michel vom kantonalen Amt für Soziales und Integration sagt: «Das Schulsystem ist allgemein sehr überlastet, darum mussten wir eine Lösung finden, die der hohen Anzahl an Plätzen, die wir hier haben, gerecht wird.»
Zur aktuellen Flüchtlingssituation sagt Michel: «Die Lage ist weiterhin sehr ungewiss, gerade beim Ukrainekrieg wissen wir nicht, wie es weitergeht. Wir wollen parat sein, wenn sich die Lage wieder zuspitzt.»
Von einem Überangebot an Flüchtlingsbetten will Manuel Michel nichts wissen. Denn ab Sommer 2025 werde im Gegenzug der Betrieb der Containersiedlung auf dem Viererfeld in Bern heruntergefahren. Und: Sämtliche unterirdischen Anlagen des Kantons werden per Ende Oktober geschlossen.