Darum geht es: Am 18. Oktober steht die Gesamterneuerungswahl des Aargauer Regierungsrates an. Einer der fünf Sitze wird frei: Urs Hofmann (SP) tritt nicht mehr an. 12 Jahre lang führte er das Departement Volkswirtschaft und Inneres (DVI). Und aller Wahrscheinlichkeit nach wird das neue Mitglied der Regierung dieses Departement übernehmen, denn die vier Bisherigen haben signalisiert, dass sie in ihren Departementen bleiben wollen.
Das DVI zu übernehmen, wäre für Dieter Egli (SP) kein Müssen, sondern ein Wollen. Es wäre sein Wunschdepartement, denn der Kandidat der Sozialdemokraten hat gleich am Anfang seiner Kandidatur gesagt, dass ein Schwerpunkt in seinem Wahlkampf die Wirtschaft sei.
Der langjährige Co-Fraktionschef der SP im Grossen Rat will nämlich, dass der Kanton in Zeiten von Corona-Krise die Wirtschaft grosszügig unterstützt. Seine Chancen stehen gut bis sehr gut. Egli ist in der kantonalen Politik bestens vernetzt. Und es gibt bis weit ins bürgerliche Lager hinein Stimmen, die Egli für einen durchaus wählbaren SP-Vertreter halten.
Grüne probieren es mit Zofinger Stadträtin
Einen neuen Anlauf, um wieder in die Regierung zu kommen, nehmen die Grünen Aargau. Sie schicken Christiane Guyer ins Rennen. Sie bringt einen ansehnlichen Rucksack an Qualifikationen mit. Sie ist Stadträtin von Zofingen, beruflich leitet sie eine grosse Verwaltungsabteilung des Kantons Luzern, sie hat fünf Kinder. Guyer selbst streicht den Frauen-Bonus heraus.
Sollte nämlich der SP-Kandidat das Rennen machen, würde die Aargauer Regierung aus fünf Männern bestehen. Mit Guyer wäre die Bevölkerungsmehrheit, also die Frauen, immerhin in der Regierung vertreten. Christiane Guyer hat aber ein Handicap: Ausserhalb der Region Zofingen ist sie komplett unbekannt. Deshalb sind ihre Wahlchancen eher gering.
Nach allgemeiner Einschätzung von Politbeobachtern können die vier Bisherigen mit ihrer Wiederwahl rechnen. Alex Hürzeler (SVP) leitet seit 12 Jahren das Departement Bildung, Kultur und Sport. Mit der SVP hat er die wählerstärkste Partei des Kantons im Rücken. Und er hat in seinem Departement vieles richtig gemacht, sodass er auch für viele, die einem SVP-Bildungsdirektor ursprünglich sehr kritisch gegenüber standen, wählbar ist. Hürzeler will im BKS bleiben, weil er unter anderem das Projekt von zwei neuen Kantonsschulen noch voranbringen will.
Gallati: Noch nicht lange im Amt – trotzdem Chancen auf Wiederwahl
Ebenfalls die SVP hinter sich hat Jean-Pierre Gallati. Der Vorsteher des Departements Gesundheit und Soziales (DGS) kam erst Anfang 2020 in die Regierung als Ersatz für die glücklose Franziska Roth. Gallati mutierte erstaunlich schnell vom scharfzüngigen Oppositions-Politiker (Fraktionschef der SVP im Grossen Rat) zum Regierungsrat im Kollegialitätsprinzip. Und erstaunlich schnell brachte er das schlingernde Gesundheitsdepartement wieder auf Kurs, zum Beispiel mit wichtigen Personalentscheiden.
Ein Departementswechsel kommt für ihn nicht infrage. Denn im Wahlkampf hatte er versprochen, er werde kein Übergangschef im DGS sein, sondern dieses Departement auf längere Sicht leiten. Seine Wahlchancen dürften intakt sein. Dazu trägt bei, dass er in der Corona-Krise einen recht kühlen Kopf bewahrte.
Aargauer Finanzdirektor Dieth auf Kurs?
Markus Dieth dürfte die Wiederwahl ebenfalls schaffen. Er sitzt als Vorsteher des Departements Finanzen und Ressourcen (DFR) fest im Sattel. Der CVP-Politiker ist in allen politischen Lagern des Kantons beliebt. Und er kann sich damit brüsten, mit verschiedenen Sanierungsprogrammen die Finanzen des Aargaus wieder ins Lot gebracht zu haben.
Wer in der Corona-Krise die Wirtschaft mit Hunderten von Millionen Franken beglücken kann, hat sicher ebenfalls gute Wahlchancen. Da Dieth erst vier Jahre im Amt ist, schliesst er einen Wechsel in ein anderes Departement aus.
Baudirektor Attiger hat noch Baustellen offen
Stephan Attiger (FDP) ist seit acht Jahren Bau-, Verkehrs- und Energiedirektor des Kantons Aargau. In dieser Zeit hat er viele Umfahrungsprojekte (Sins, Bad Zurzach, Mellingen, Brugg) zur Baureife gebracht. Und im Ostaargau will er Verkehrsengpässe mit dem Gesamtkonzept Oase beseitigen. Dort scheint er sich aber verrannt zu haben, denn der Widerstand ist gross. Allerdings dürfte das seine Chancen zur Wiederwahl nicht allzu stark schmälern.
Attiger ist beliebt. Und er hat versprochen, dass er in der nächsten Legislatur mehr Umwelt- als Baudirektor sein wolle. Das Departement will er nicht wechseln. Er ist nämlich erst seit kurzem Präsident der Bau-, Planungs- und Umweltdirektoren-Konferenz (BPUK). Damit habe er in der ganzen Schweiz allerbeste Kontakte auf allen politischen Ebenen der Schweiz, sagt er selbst - diese Kontakte wolle er zum Wohl des Kantons nutzen.
Sechs chancenlose Kandidaturen
Wie immer kandidieren auch dieses Mal noch einige unbekanntere Namen. Die Jungsozialistinnen Cybel Dickson, Patricia Hegglin und Zoe Sutter wollen mit ihrer Dreierkandidatur vor allem auf die fehlenden Frauen in der Regierung hinweisen. Dazu kommen Therese Schöni (LOVB), Stephan Zurfluh (i54.ch) und der im Aargau bereits bekannte Pius Lischer. Sie alle haben keine reellen Wahlchancen.
«Bisherige schaffen es, plus Newcomer Egli»
Fazit: Die Chancen einer Wiederwahl der vier bisherigen Regierungsräte sind gut bis sehr gut, sogar im ersten Wahlgang. Die SP dürfte ihren Sitz in der Regierung mit Dieter Egli behalten. Es könnte aber sein, dass Newcomer Egli in einen zweiten Wahlgang gehen muss.
Dort könnte es dann zum direkten Duell mit Christiane Guyer von den Grünen kommen. Im ersten Wahlgang treten der SP-Mann und die Grünen-Frau noch gemeinsam an, das heisst ihre Parteien unterstützen die Kandidierenden offiziell gegenseitig.