Zum Inhalt springen
Audio
Auf Abfallkontrolle in Basel: Alles Mögliche im «Bebbisagg»
Aus Regionaljournal Basel Baselland vom 01.02.2023. Bild: SRF/Nina Gygax
abspielen. Laufzeit 8 Minuten 40 Sekunden.

Abfall-Detektive unterwegs Den Abfallsündern auf der Spur

Abfall zur falschen Zeit, am falschen Ort oder im falschen Sack entsorgt: Basel büsst jährlich hunderte Fehlbare. Wie die Abfallkontrolleure den Sündern auf die Schliche kommen.

70 Säcke in bloss einer halben Stunde: So viel nicht korrekt entsorgten Abfall laden Basler Abfallkontrolleure bei einer normalen Morgentour in ihren Wagen. Neben unverpacktem Müll aller Art sind es nicht nur andere Säcke als die offiziellen, blauen «Bebbi-Sägg», deren Preis die Entsorgungsgebühr enthält. Sondern auch offizielle, die an anderen Tagen als den beiden wöchentlichen Kehrichtabfuhrtagen draussen stehen.

Abfalldetektive
Legende: Abfallsünder suchen ist Drecksarbeit – täglich und von Hand. SRF / Nina Gygax

Die Abfallkontrolleure kippen diesen illegalen Abfall nicht einfach in die Verbrennung, sondern nehmen ihn auseinander, von Hand. Die Mülldetektive sind auf der Suche nach der Täterschaft, um diese zu büssen. Manche Übeltäter verraten sich selbst, indem sie Couverts mit ihrer Adresse in den Sack stopfen – andere schneiden Adressen sorgfältig weg.

Video
Basler Abfalldetektive auf der Suche nach Adressen der Fehlbaren
Aus News-Clip vom 01.02.2023.
abspielen. Laufzeit 22 Sekunden.

An diesem Tag zum Beispiel hat es in einem Sack ein ganzes Bündel ungeöffneter Couverts von der Steuerverwaltung. In einem anderen ist eine Busse mit der kompletten Adresse des Gebüssten. Dies jeweils garniert mit Lebensmittelresten, kaputten Kleidern oder anderem Müll.

Zürich: über 500 Tonnen wilde Abfälle im Jahr

Box aufklappen Box zuklappen

Die Stadt Zürich unterscheidet drei Arten von illegalem Abfall:

  • Abfall, der in nicht-gebührenpflichtigen Säcken in den Containern oder auf dem Boden entsorgt wird. Hiervon sammelt Entsorgung und Recycling Zürich (ERZ) jährlich rund 75 Tonnen ein.
  • Abfall, der neben den Behältern der über 160 Wertstoff-Sammelstellen deponiert wird. Dort kommen im Jahr 450 Tonnen zusammen.
  • Sperrgut, das illegal im Freien entsorgt wird. Dazu gibt es keine Zahlen.

Diese Mengen bewegten sich laut ERZ-Sprecher Daniel Eberhard in den letzten Jahren immer auf ähnlichem Niveau.

Der ERZ-Kontrolldienst rückt pro Jahr zu rund 3500 Kontrollen aus und entdeckt bei den Einsätzen rund 24'000 illegal entsorgte Abfallsäcke. «In rund 15 Prozent dieser nicht-gebührenpflichtigen Säcke, die illegal entsorgt wurden, werden Indizien zu den fehlbaren Personen entdeckt», sagt Eberhard. Diese werden verzeigt; Bussen spricht dann gegebenenfalls das zuständige Statthalteramt aus.

In Basel werden die Tonnagen der illegalen Abfälle nicht erfasst.

Sack für Sack kommt auf den Sortiertisch, der Inhalt wird inspiziert. Es stinkt und ist sehr unappetitlich. Die Abfallkontrolleure tragen darum nicht nur Handschuhe, sondern Schutzoveralls und Atemschutzmasken, die fast wie Gasmasken aussehen.

Erfolgreiche Abfalldetektive in Biel

Box aufklappen Box zuklappen

Wer den Abfall in der Stadt Biel unsachgemäss entsorgt, muss damit rechnen, erwischt zu werden: «Jedes gefundene Abfallgebinde, das nicht richtig bereitgestellt bzw. entsorgt wird, wird auf Hinweise durchsucht», schreibt die Stadt Biel. Und das zeigt offenbar Wirkung: Während vor zehn Jahren noch fast 100 Tonnen Abfall unsachgemäss entsorgt wurden, waren es 2017 noch 55 Tonnen und 2022 noch 33 Tonnen. Die Menge an falsch entsorgtem Abfall nahm also messbar ab, was Biel auf die Abfalldetektive zurückführt.

Als übelsten Abfall empfinden die Kontrolleure – obwohl teils selber Väter – übrigens benutzte Windeln. «Deren Geruch kommt durch den Filter und kitzelt manchmal hinten am Halszäpfchen», sagt Thomas Hautle.

Es macht mir besonders Freude, unterwegs zu sein im Dienst der Bevölkerung und Abfallsünder dingfest zu machen.
Autor: Florim Ferati Abfallkontrolleur in Basel

«Es macht mir besonders Freude, unterwegs zu sein im Dienst der Bevölkerung und Abfallsünder dingfest zu machen», sagt trotz aller Widrigkeiten Abfallkontrolleur Florim Ferati. Er ist seit vier Jahren quasi Abfalldetektiv im Amt für Umwelt und Energie – davor hatte er im Tiefbauamt bei der Stadtreinigung gearbeitet, der in Basel die Abfuhr zugeordnet ist.

Basler Abfallbussenkatalog

Box aufklappen Box zuklappen

Die Ordnungsbussenverordnung von Basel-Stadt nennt folgende Tarife:

  • Verbotenes Beseitigen von Kleinabfällen = «Littering»: CHF 100.–
  • Verbotenes Beseitigen von Haushaltsabfällen in Abfallbehältern auf Strassen, Plätzen und in öffentlichen Anlagen: CHF 100.–
  • Verbotenes Beseitigen von Haushaltsabfällen, Sperrgut und Elektroschrott im öffentlichen Raum: CHF 200.–
  • Unzeitiges Bereitstellen von Abfall auf uneingefriedeten privaten Vorplätzen in der Nähe der Allmendgrenze, auf Trottoir oder am Strassenrand: CHF 50.–

Alleine für «unzeitiges Bereitstellen» von offiziellen Abfallsäcken wurden im Jahr 2019 in Basel 1253 Bussen verhängt; insgesamt gab es in jenem Jahr für Abfallverstösse 1766 Ordnungsbussen. Die Corona-Jahre danach fallen wegen Pandemie-Einschränkungen aus dem Rahmen, und die Zahlen von 2022 liegen noch nicht vor.

Unter dem Strich kamen 2019 für unzeitgemäss rausgestellten Abfall Bussen von knapp 52'000 Franken herein. Die Summe der Bussen decke den Aufwand für die Kontrollen nicht, sagt Matthias Nabholz, Leiter des baselstädtischen Amts für Umwelt und Energie (AUE). Wichtiger sei die abschreckende Wirkung, damit das Problem nicht weiter zunimmt.

Beim AUE sind vier Angestellte extra für Abfallkontrollen verantwortlich; diese Abteilung gibt es seit 2013. Sie tragen im Einsatz Uniform und Namensschilder, da sie eine hoheitliche Aufgabe wahrnehmen und auch Bussen verhängen dürfen. Sie durchwühlen nicht nur Säcke, sondern gehen auch auf Abfall-Patrouille, um Sünder in flagranti zu erwischen – bei Littering ist praktisch nur so die Täterschaft rechtsgenüglich zu ermitteln.

Dies indes löst manchmal nicht ein schlechtes Gewissen aus, sondern unerfreuliche Reaktionen: «Sobald es ums Geld geht, sind die Emotionen gleich vorhanden» stellt Feratis Kollege Thomas Hautle fest. Beschimpfungen wie «A...loch» seien gang und gäbe, und dagegen entwickle man mit der Zeit ein dickes Fell, lerne, abends wieder abzuschalten.

Schusssichere Westen

Die Arbeit kann aber auch gefährlich werden, wenn sich Ertappte nicht im Griff haben. Einmal sei ein Kollege im Treppenhaus mit einem Messer bedroht worden, erzählt Ferati. Seitdem steht den vier Abfallkontrolleuren frei, im Dienst schuss- und stichfeste Schutzwesten zu tragen.

Das ist freiwillig; zwei der vier tragen nun solche Westen bei der Arbeit, etwa, wenn sie bei Abfallsündern an der Tür klingeln. «Wir wissen ja nicht, wen wir vor uns haben. Da geht man lieber auf Nummer sicher», erklärt Ferati.

«Gratis zu verschenken» – Sperrgutdilemma

Box aufklappen Box zuklappen

Sperrgut ist ein ambivalentes Thema: Manche stöbern gerne am Vorabend der Abfuhr durch Bereitgestelltes in der Hoffnung auf intakte Trouvaillen wie Bücher, Kinderspielzeug oder Lampen. Dies wird von vielen als Recycling im Quartier begrüsst.

Andere hingegen stellen defekten Schrott irgendwann aufs Trottoir und hängen Zettel mit «gratis, zu verschenken» daran, um sich Entsorgungsgebühren-Vignetten zu sparen. An solchem Müll nebenan stossen sich viele – für Abfallkontrolleur Thomas Hautle ist das eine «Saumode». Dies auch, weil wegen Nachahmern aus einem versifften Sofa rasch eine wilde Deponie werden kann.

In Basel gab es früher alle paar Monate eine extra Sperrgutabfuhr, separat für Brennbares und Metall. Dies lockte jeweils auch kleinere Lieferwägen aus dem Elsass in die Quartiere, die wegen ihrer Scheinwerferfarbe «Marder mit den gelben Augen» getauft wurden. Heute kann man kleineres brennbares Sperrgut der normalen Kehrichtabfuhr mitgeben; Metall wird separat gesammelt.

Sperrgut selbst zur Entsorgungsstelle zu bringen, ist in Basel ungewöhnlich, weil über die Hälfte der Haushalte in dieser Stadt kein eigenes Auto haben.

Nicht in jedem Quartier haben die Abfallkontrolleure gleich viel zu tun. Am wenigsten im Villenviertel auf dem Bruderholz, am meisten im Kleinbasel, speziell Kleinhüningen und Klybeck bis Rosental sowie im Grossbasel etwa beim Spalenring.

Müllsäcke
Legende: Die Ausbeute einer kurzen Morgentour: 70 illegal hinaus gestellte Abfallsäcke. SRF / Nina Gygax

In den 70 Säcken dieser Tour fanden sich schliesslich 14 Adressen der mutmasslichen Fehlbaren, denen jetzt eine Busse droht. Den Kontrolleuren ist das eigentlich zu wenig: Sie würden am liebsten jeden bestrafen, der sich nicht an die Regeln hält und die Stadt vermüllt.

Regionaljournal Basel, 01.02.2023, 17:30 Uhr ; 

Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel