Das Arbeiten von zu Hause aus hat sich – coronabedingt – in vielen Unternehmen durchgesetzt. Immer mehr Firmen wollen künftig auf Homeoffice setzen. Auch der Pharmariese Novartis will den Mitarbeitern mehr Flexibilität geben.
«Unsere Mitarbeiter sollen die Möglichkeit haben, selbst zu entscheiden, wie, wo und wann sie in ihrer Rolle am wirkungsvollsten arbeiten», schreibt das Unternehmen gegenüber SRF. Für die rund 30 Prozent Grenzgänger des Unternehmens könnte dies jedoch zum Problem werden.
Die Frage drängt sich auf: Was geschieht, wenn Grenzgängerinnen und Grenzgänger plötzlich mehrheitlich zu Hause im Ausland arbeiten? Wo fliessen dann die Sozialabgaben und Steuern hin?
Verstärkter Druck aus Frankreich
Bislang blieb ein beträchtlicher Teil des Geldes in der Schweiz. Schliesslich arbeitete der Mitarbeiter im Land. Nun steigt der Druck der Nachbarstaaten. Wer für die Arbeit nicht mehr in die Schweiz reist, soll dort auch keine Abgaben bezahlen.
Bei den Sozialabgaben gibt es für Grenzgänger eine einfache Grundregel. Wer mehr als 25 Prozent seiner Arbeitszeit im Homeoffice – also ausserhalb der Schweiz – arbeitet, muss im Wohnsitzland seine Abgaben bezahlen. Gerade bei Sozialversicherungsabgaben wie der AHV geht das ins Geld. Es würde sowohl den Mitarbeiter wie auch die Firma ein Vielfaches von dem kosten, was sie in der Schweiz bezahlen.
Wegen Corona ist diese Regel derzeit ausser Kraft gesetzt. Frankreich will sie nun aber bereits Ende August wieder einführen. Dies dürfte kein Zufall sein. Über die Hälfte der Schweizer Grenzgänger lebt in Frankreich.
Die meisten von ihnen arbeiten in der Genferseeregion. Doch auch die anderen Nachbarstaaten dürften bis spätestens Ende Jahr die 25-Prozent-Regel wieder einführen wollen, heisst es beim Bundesamt für Sozialversicherung auf Anfrage.
Auch steuertechnisch relevant
Damit steigt der Druck auf die Grenzgänger, nur noch vereinzelt im Homeoffice zu arbeiten – sofern sie die Abgaben weiterhin in der Schweiz bezahlen wollen. In Genf beobachtet man diese Entwicklung mit Skepsis.
Christophe Barman ist Co-Gründer des Beratungsunternehmens Loyco. Rund 30 Prozent seiner Mitarbeiter in Genf sind Grenzgänger. Für sie mache es keinen Sinn, nur einen Tag in der Woche im Homeoffice zu arbeiten. Der Unternehmer befürchtet, dass so wieder vermehrt Mitarbeiter in die Schweiz reisen. «Der Mitarbeiter muss dann viele Kilometer in die Stadt machen, steht im Stau. Das macht auch ökologisch keinen Sinn. Das Ganze geht in die falsche Richtung.»
Wenn immer mehr Grenzgänger im Homeoffice arbeiten, bedeutet dies, dass weniger Geld in der Schweiz versteuert wird.
Die Diskussion um die Abgaben in Zeiten des Homeoffice dürfte auch steuertechnisch zu reden geben. Davon ist man beim Staatsekretariat für internationale Finanzfragen überzeugt. Es gelte der Grundsatz der Besteuerung am Arbeitsort, erklärt Mediensprecher Mario Tuor. «Beim Homeoffice ist das also das Wohnsitzland.»
Doch Tuor gibt zu Bedenken: «Wenn immer mehr Grenzgänger im Homeoffice arbeiten, bedeutet dies natürlich auch, dass weniger Geld in der Schweiz versteuert wird.» Im Endeffekt bedeutet der Homeoffice-Boom wohl weniger Steuereinnahmen für die Schweiz und höhere Abgaben für die Unternehmer.
Wohl doppelt so hohe Ausgaben
Der Genfer Firmengründer Christophe Barmann rechnet mit doppelt so hohen Ausgaben, sobald er in Frankreich Abgaben bezahlen muss. «Darauf wird sich kein Genfer Arbeitgeber einlassen.»
Klar ist: Das Homeoffice dürfte sich weiter etablieren. Die Debatte darüber wer wo wieviel versteuert und bezahlt ist damit vorprogrammiert.