Über Long Covid weiss man bisher nicht viel. Laut Milo Puhan, Epidemiologe an der Universität Zürich, sind schätzungsweise 20 bis 25 Prozent betroffen. Viele von ihnen müssen sich mühsam ins Leben zurückkämpfen, können ihren Job nicht mehr ausüben. Und als ob das nicht genug wäre: Einige Long-Covid-Erkrankte haben zudem mit ihrer Versicherung zu kämpfen. Zwei Beispiele:
Fall 1: Berufsunfallversicherung
Pflegefachfrau Milena G. infizierte sich bei der Arbeit auf der Covid-Station eines Spitals. Nach drei Wochen konnte sie ihre Arbeit wieder aufnehmen. Damit sie bei allfälligen Spätfolgen abgesichert ist, meldete sie ihre Erkrankung der Berufsunfallversicherung Axa. Und das macht auch Sinn, sagt Pierre-André Wagner, Leiter Rechtsdienst des Schweizer Berufsverbandes der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK). Denn: «Bei einer Ansteckung am Arbeitsplatz gilt Covid als Berufskrankheit. Und anders als bei der Krankenkasse müssen die Patienten bei der Unfallversicherung keine Franchise und keinen Selbstbehalt bezahlen.»
Doch Milena G.s Versicherung Axa lehnte ab. Ihr Bescheid: «Eine Berufskrankheit kann nur anerkannt werden, wenn der Nachweis einer Ansteckung bei einem erkrankten Patienten mit über 50 Prozent Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden kann.»
Pierre-André Wagner lässt das nicht gelten. «Das ist kein Einzelfall. Versicherungen suchen irgendwelche Gründe, Fälle abzulehnen, weil man vielleicht langfristige Kosten fürchtet.» Milena G. trifft die Absage hart: «Ein weiterer Schlag ins Gesicht und null Wertschätzung gegenüber dem Pflegepersonal.»
Im «Kassensturz»-Interview am Sendetag gibt sich die Axa versöhnlicher. Schadenchef Schweiz Fredy Egg erklärt: «Wir stellten fest, dass es schwierig nachzuweisen ist, dass eine Infektion am Arbeitsplatz passierte. Daher haben wir entschieden, solche Fälle unkompliziert zu behandeln und die Leistungen zu erbringen.» Zudem versichert Egg: «Nachdem wir die Praxis nun geändert haben, werden wir aktiv auf alle Versicherten, die eine Ablehnung erhalten haben, zugehen.»
Fall 2: Krankentaggeld-Versicherung
Auch Rahel R. kämpft mit Covid-Langzeitfolgen. Sie steckte sich bei der Arbeit in einem Pflegeheim an. Ihren Beruf als Pflegefachfrau kann sie nicht mehr ausüben. «Ich fühle mich nur noch als halber Mensch, bin schnell am Ende meiner Kräfte», erzählt die fünffache Mutter. Ihr Hausarzt hält in einem Attest fest: «Die Patientin leidet an einem Post-Covid-Fatigue-Syndrom. Aktuell gibt es weder einheitliche Diagnosekriterien noch Behandlungsmethoden.»
Als ich Corona-Erkrankte pflegte, war es recht. Jetzt habe ich das Gefühl, man lässt mich hängen.
Rahel R.s Krankentaggeldversicherung Vaudoise akzeptierte dieses Arztzeugnis nicht. Sie übernahm die Lohnzahlungen während der Arbeitsunfähigkeit, teilte nun aber mit, sie stelle die Leistungen ein. Begründung: Ein einfaches Arztzeugnis reiche nicht aus. Es brauche «einen Bericht mit neuen, wichtigen medizinischen Informationen». Und: «Die Untersuchung durch einen fachkundigen Psychiater ergab keine Diagnose mit Krankheitswert oder Auswirkung auf die Arbeitsunfähigkeit.»
Bei Rahel R. bleibt Verzweiflung und Wut: «Als ich Corona-Erkrankte pflegte, war das recht. Jetzt habe ich das Gefühl, man lässt mich hängen.»
Immerhin: Auf Anfrage von «Kassensturz» schreibt die Vaudoise: «Um das Risiko zu vermeiden, ein echtes long-Covid-Syndrom zu übersehen, werden wir Frau R. weiteren Untersuchungen zuführen.»