Die SVP sucht nach den Wahlverlusten im Herbst einen neuen Präsidenten oder eine neue Präsidentin – und den Weg zurück zum Erfolg. Dabei wird auch Kritik am vergangenen Wahlkampf und an den Schwerpunkten der Partei laut.
Die SVP habe den Draht zur Basis verloren, sagt etwa die Luzerner Nationalrätin Yvette Estermann. Sie sei vor lauter Erfolg gleichgültig und bequem geworden und habe Themen, die die Menschen beschäftigen, total vernachlässigt.
Wenn wir sagen, dass etwas schlecht ist, müssen wir auch eine bessere Idee im Hinterkopf haben.
Das sehe man an den Prioritäten der SVP-Bundeshausfraktion. Es sei zwar richtig, dass sich die SVP auf die Europapolitik und die Migration konzentriere, aber es brauche mehr: «Oft habe ich das Gefühl, dass die Leute, die dort sitzen, vergessen haben, dass einfache Arbeiter oder Hausfrauen ganz andere Probleme haben.» Auch sie erwarteten Lösungen von der Politik.
Das habe sie in den vielen Gesprächen im Wahlkampf erfahren, sagt Estermann. Probleme wie die Rentensicherung und die Last der Krankenkassenprämien beträfen die Leute direkt. Das zeige auch der Sorgenbarometer :
Die SVP könne da nicht einfach als Neinsager-Partei auftreten, die Wählerschaft erwarte Lösungen: «Wenn wir sagen, dass etwas schlecht ist, müssen wir auch eine bessere Idee im Hinterkopf haben.»
So sei es wenig hilfreich, dass die SVP etwa bei der Erhöhung des Selbstbehaltes für Arztbesuche einen Schlingerkurs gefahren sei: Sie votierte zuerst dafür und dann dagegen, als sie merkte, dass ihr das Ja im Wahljahr Stimmen kosten könnte.
Kritik auch aus dem Tessin
Estermann gehört nicht zum engeren Machtzirkel der SVP. Aber in dieser Frage spricht sie aus, was viele Mandatsträger derzeit sagen. So auch einer, der als Vizepräsident im Parteileitungsausschuss sitzt: Ständerat Marco Chiesa.
Er vertritt als Tessiner zudem einen der wenigen Kantone, in denen die SVP bei den Wahlen keine Stimmen verloren hat. Er sagt: «Wir müssen unsere Linie unbedingt halten.» Bei der AHV und den Krankenkassenprämien müsse die SVP als grösste Partei aber Lösungen finden.
Gerade im Tessin, wo die Löhne tiefer als in der Deutschschweiz seien, erlebe er, wie die Menschen unter den steigenden Krankenkassenprämien litten. Da müsse die SVP eigene Lösungen erarbeiten.
Wir brauchen primär Aussicht auf Erfolge – Motivation statt Befehlston.
Zudem regt sich Unmut über die Einschätzung der Parteileitung, an den Wahlverlusten seien die Kantonalsektionen Schuld. Die Parteispitze könne die Schuld nicht einfach abschieben, sagt Roland Lutz, Präsident der SVP Schwyz: «Vonseiten der SVP Schweiz – namentlich der Fraktion – herrscht in vielen Dossiers eine zu harte Oppositionshaltung vor. Diese verunmöglicht es, an Kompromissen teilzunehmen.»
In Migrations- und Europafragen solle die SVP ihre Linie beibehalten, in anderen müsse sie aber kompromissfähiger werden. Nur so werde sie einbezogen und könne Erfolge vorweisen. Die heutige Haltung der SVP wirke auf die Wählerschaft demobilisierend.
Präsident von Blochers Gnaden?
All diese Fragen werden auch den neuen Präsidenten oder die neue Präsidentin beschäftigen. Die Person soll führungsstark sein und mit harter Hand in den Kantonen durchgreifen, heisst es aus der Parteizentrale. Aber das kommt beim Präsidenten der Schwyzer Sektion nicht so gut an: «Wir brauchen primär Aussicht auf Erfolge – Motivation statt Befehlston.»
Eben hat die SVP eine Findungskommission eingesetzt, Kandidaten werden gesucht. Was alle in der Partei bestätigen ist: Christoph Blocher wird dabei ein gewichtiges Wörtchen mitreden.