Nationalrätin Regula Rytz war jahrelang Präsidentin der Grünen, führte bei den Wahlen 2019 ihre Partei zu einem historischen Erfolg und hat dann vergeblich für den Bundesrat kandidiert. Heute war ihr letzter Tag im Parlament und damit auch in der nationalen Politik. Im Interview wirft Rytz einen Blick zurück und erläutert, welche Ziele sie nun verfolgt.
SRF News: Frau Rytz, Sie haben über zehn Jahre lang im Bundeshaus politisiert. Was werden Sie am meisten vermissen?
Regula Rytz: Meine Kolleginnen und Kollegen, und zwar auch die in anderen Parteien. Es ist schon so, dass wir es hier immer noch schaffen, über Parteigrenzen an Lösungen zu arbeiten. Nicht immer schnell genug, aber doch in gegenseitigem Respekt. Und diese Kultur wird mir auch ein bisschen fehlen.
Ich habe sehr viel Streit mit Albert Rösti ausgetragen.
Welcher bürgerliche «Sparringspartner» wird Ihnen denn am meisten fehlen?
Ich habe sehr viel Streit mit Albert Rösti ausgetragen. Auch ein Berner. Ich glaube, wir haben uns schon deswegen gut verstanden. Aber ich kann mit vielen Leuten hier sehr gut zusammenarbeiten. Einfach alle diejenigen, die diese Grundlage der Demokratie respektieren, dass die Vielfalt dann am Schluss zu Lösungen führen muss. Das haben nicht alle geschafft, aber viele eben doch.
Was war politisch Ihr grösster Fehler?
Ach, das ist schwierig. Ich führe ehrlich gesagt keine Listen mit Best-ofs oder Worst-ofs. Ich bedauere, dass wir in der Umweltpolitik nicht weitergekommen sind. Wir sehen jetzt auch in diesem Ukraine-Krieg, was es geopolitisch und sicherheitspolitisch für Folgen hat, dass wir noch nicht weiter sind in der Befreiung von fossilen Energien.
Viele würden wahrscheinlich eher an die Bundesratswahl 2019 denken. Da wurde Ihnen ja vorgeworfen, dass Sie zu wenig entschieden kandidiert, zu lange gezögert hätten. Das bedauern Sie nicht?
Ach, wissen Sie: Wie auch immer ich es angestellt hätte, es ist klar gewesen, die anderen wollten uns nicht am Tisch haben. Das hätte man vielleicht auch anders anpacken können. Ich würde heute sicher auch einige Dinge anders machen. Aber es war mir von Anfang an klar: Es wird eine unglaublich schwierige Geschichte werden, weil es so selten ist, dass in der Schweiz amtierende Bundesräte abgewählt werden. Und insofern habe ich erwartet, dass es so herauskommt. Und ich bedaure es auch nicht persönlich, sondern eher für die Politik. Ich glaube, dass die Grünen im Bundesrat eine wichtige Rolle hätten spielen können. Ich hätte mich zum Beispiel vehement dafür eingesetzt, dass wir die Tür zur Europäischen Union nicht zuschlagen, indem der Bundesrat einfach sang- und klanglos dieses Rahmenabkommen versenkt. Da hat eine grüne Stimme gefehlt.
Sie sagen, ein paar Dinge hätten Sie im Nachhinein anders gemacht. Wenn Sie jetzt der nächsten grünen Kandidatin oder dem nächsten grünen Kandidaten einen Tipp geben müssten, welcher wäre das?
Ich glaube, im Vornherein nicht allzu sehr über diese Bundesratswahlen zu reden. Es ist in den Medien sehr beliebt, Personaldiskussionen zu führen. Wer kommt infrage? Wer kommt wann? Das Wichtigste ist, zu respektieren, was die Bevölkerung im nächsten Herbst (bei den eidgenössischen Wahlen, Anm. d. Red.) wählen wird und den Bundesrat so zusammenzusetzen, dass alle gewichtigen Stimmen aus der Politik dort vertreten sind.
Ich möchte einen Beitrag dazu leisten, dass die grossen Gräben zwischen der Schweiz und der EU kleiner werden.
Sie verabschieden sich jetzt aus der nationalen Politik, wollen aber weiter politisieren. Haben Sie sich da ein Ziel gesetzt?
Ich möchte einen Beitrag dazu leisten, dass die grossen Gräben zwischen der Schweiz und der EU kleiner werden. Ich bin schon sehr lange auch mit den europäischen Grünen in Kontakt. Und dass wir versuchen, gemeinsam und über die Grenzen hinaus über Lösungen für die Überwindung der Klimakrise zu diskutieren, für die Stärkung der Umweltpolitik, für eine bessere soziale Politik und sozialen Ausgleich. Es wäre ein Beitrag, den ich leisten könnte, um die Beziehungen zur Europäischen Union zu normalisieren.
Sie haben kein Auto, sind in ihrem Leben nur 5 Mal geflogen, essen vegetarisch und gelten als Arbeitstier. Wann waren Sie mal so richtig inkonsequent?
Das ist man wahrscheinlich jeden Tag mehrmals, ohne dass man es merkt. Es ist überhaupt nicht mein Ziel, die perfekte Grüne zu sein, die alles richtig macht. Natürlich ist es sehr wichtig, dass wir der Umwelt mehr Sorge tragen. Und ich gebe mir auch Mühe.
Es ist überhaupt nicht mein Ziel, die perfekte Grüne zu sein, die alles richtig macht.
Können Sie mir ein Beispiel nennen für diese Inkonsequenz?
Wenn wir zum Beispiel auf einer Wanderung sind und dann bleibt da nur noch ein Salami-Sandwich übrig, dann sage ich nicht nein dazu.
Das Gespräch führte Larissa Rhyn.