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Abschluss der EU-Verhandlungen Die EU kommt der Schweiz entgegen – im Rahmen ihrer Möglichkeiten

Der Handschlag ist gemacht, die Verhandlungen nach rund neun Monaten zu Ende. Während dieser Zeit hat in Brüssel ein Umdenken stattgefunden. Lange hiess es dort: «Volksabstimmung in der Schweiz? Das ist nicht unser Problem.»

Doch je länger die Verhandlungen andauerten, desto stärker setzte sich bei den Verhandlern auf EU-Seite die Erkenntnis durch (oder sie wurde ihnen von den Schweizer Verhandlern vermittelt), dass die Frage der Personenfreizügigkeit ein entscheidender Punkt in der wahrscheinlichen Volksabstimmung über das neue Vertragspaket sein wird. Man fürchtete in Brüssel – das belegen Dokumente, die SRF vorliegen – dass ohne ein Entgegenkommen bei der Personenfreizügigkeit das gesamte Verhandlungspaket zum Scheitern verurteilt wäre.

Brüssel will Chancen bei Schweizer Stimmvolk steigern

Deshalb hat die EU der Anpassung der «Schutzklausel» zur Begrenzung der Personenfreizügigkeit zugestimmt, obwohl davon nach den als «Sondierungsgesprächen» betitelten Vorverhandlungen noch keine Rede war. Die Hoffnung in Brüssel ist, dass mit diesem Entgegenkommen in der Schweiz die innenpolitischen Chancen für das Abkommen steigen. Und die Hoffnung ist auch, dass die Schutzklausel nie zur Anwendung kommen wird.

Gratis ist das freilich nicht: Die EU bekommt im Gegenzug die weitgehende Gleichbehandlung von Studierenden aus der EU in der Schweiz, wenn es um die Studiengebühren geht. Es ist das Ende von höheren Studiengebühren für EU-Ausländer an öffentlich finanzierten Schweizer Universitäten und Fachhochschulen.

Kein Rütteln an den Grundsatzfragen

An den grossen, für die EU zentralen, Grundsatzfragen haben die Verhandlungen – wie erwartet – nichts geändert. Die Schweiz wird sich in den Bereichen, in denen sie am EU-Binnenmarkt teilnimmt, an die Spielregeln der EU halten müssen. Die dynamische Übernahme von EU-Recht und die verbindliche Auslegung von EU-Recht durch den Europäischen Gerichtshof liessen sich nicht wegverhandeln.

So lässt sich bilanzieren: Die EU-Kommission ist dem Bundesrat in den Verhandlungen entgegengekommen – zumindest im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Und diese sind eng beschränkt. Denn die Vorgaben für die EU-Kommission machen in der EU die Mitgliedstaaten und diese wollen nicht, dass ein Drittstaat wie die Schweiz besser behandelt wird als sie selbst. Das musste bereits Grossbritannien in den Verhandlungen nach dem Brexit erfahren und an diesem Grundsatz hat die EU auch in den Verhandlungen mit der Schweiz nicht gerüttelt.

Andreas Reich

EU-Korrespondent

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Andreas Reich ist seit November 2022 TV-Korrespondent von SRF in Brüssel. Zuvor arbeitete der studierte Jurist als Auslandredaktor und Onlineproduzent im SRF-Newsroom in Zürich und berichtete als freier Reporter aus Südosteuropa.

SRF 4 News, 20.12.2024, 15 Uhr

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