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Schweiz einigt sich mit EU Die Verhandlungserfolge werden die Gegner kaum umstimmen

Im Frühling 2021 tat der Bundesrat etwas, was sich die EU nicht gewohnt ist: Die Schweizer Regierung brach die Verhandlungen über das Rahmenabkommen ab. Rückblickend sind sich viele einig: Es war damals der wohl richtige Entscheid. Denn das nun vorliegende Vertragspaket mit der EU ist substanziell besser als das Rahmenabkommen. Die Schweizer Unterhändler haben zwar nicht alles, aber dennoch einiges erreicht.

Verhandlungserfolge

    • Sollten die Probleme mit der Personenfreizügigkeit Überhand nehmen, kann die Schweiz neu einen konkreten Mechanismus zur Bremsung der Zuwanderung auslösen
    • Die Unionsbürgerrichtlinie wurde im Gegensatz zum Rahmenabkommen dieses Mal im Detail verhandelt. Die Einwanderung in die Sozialhilfe soll verhindert werden können.
    • Der Lohnschutz wird erstmals vertraglich abgesichert, wenn auch nicht vollständig
    • Die Super-Guillotine-Klausel ist weg. Bei einem Volksnein zu einem der neuen Abkommen würden nicht mehr automatisch alle alten Abkommen wegfallen

    Es liegt also ein weit besseres Vertragspaket vor als beim letzten Anlauf. Doch der Widerstand ist nicht kleiner geworden. Neben den kritischen Gewerkschaften und der SVP, die neue Verträge mit der EU kategorisch ablehnt, mischen nun auch deutlich mehr skeptische Unternehmer mit. Sie kritisieren im Wesentlichen die gleichen Punkte wie die SVP:

Kritische Punkte

  • Im Kern akzeptiert die Schweiz bei allen Abkommen eine dynamische Rechtsübernahme.
  • Verweigert die Schweiz die Übernahme neuer Bestimmungen, drohen Massnahmen.
  • Der Europäische Gerichtshof muss beigezogen werden, wenn europäisches Recht betroffen ist.
  • Die jährliche Kohäsionszahlung an ärmere EU-Mitgliedstatten verdreifacht sich beinahe mit neu 350 Millionen Franken.

Paket aufspalten

Als steiniger Weg erweist sich zunehmend auch der ursprüngliche Plan des Bundesrates, neben der Erneuerung der bestehenden bilateralen Verträge noch zusätzliche Abkommen ins Paket aufzunehmen: Das Strommarktabkommen bleibt umstritten, sowohl bei den Gewerkschaften als auch bei den Bergkantonen. Deshalb will der Bundesrat das Paket aufspalten, mit dem Ziel, das Strommarktabkommen separat an die Urne zu bringen.

Innenpolitische Verhandlungen als Hürde

Die intensive Verhandlungsphase mit Brüssel ist abgeschlossen. Doch jetzt beginnen die innenpolitischen Diskussionen, die mindestens so anspruchsvoll sind. Die merkwürdige EU-Spesenregelung, wonach entsandten Mitarbeitenden aus dem EU-Raum keine höheren Schweizer Spesen bezahlt werden dürfen, konnte nicht wegverhandelt werden. Diese Regel will die Schweiz erstmals einfach nicht umsetzen.

Zudem soll ein inländisches Massnahmenpaket zum Arbeitnehmerschutz geschnürt werden. Doch Gewerkschaften und Arbeitgeber wurden sich bisher nicht einig bei solchen Massnahmen. Die Gespräche, die seit Monaten geführt werden, drehen sich im Kreis. Es braucht ein Machtwort des Bundesrates. Wenn die Gewerkschaften die neuen Verträge mit der EU am Schluss nicht unterstützen, gibt es innenpolitisch keine Mehrheit.

SVP-Initiative bedroht EU-Verträge

Als Damoklesschwert über dem Vertragspaket schwebt die neue SVP-Zuwanderungs-Initiative, die eine sogenannte 10-Millionen-Schweiz verhindern will. Sollte diese Initiative angenommen werden, ist das neue Vertragspaket mit der EU wohl hinfällig. Die Initiative der SVP kommt wahrscheinlich noch vor dem Wahljahr 2027 an die Urne.

Über das neue EU-Vertragspaket wird dann wohl erst nach dem Wahljahr 2027 abgestimmt. Das hiesse aber, dass noch mehr als drei lange Jahre in der Öffentlichkeit über die Beziehungen zur EU gestritten wird.

Andy Müller

Bundeshausredaktor

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Andy Müller ist Bundeshausredaktor des Schweizer Fernsehens. Zuvor war er Themenplaner und stellvertretender Redaktionsleiter von «10vor10».

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SRF 4 News, 20.12.2024, 15 Uhr; koua

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