Die Reform der 2. Säule ist stark absturzgefährdet. Gegen die Variante des Ständerates kommt Widerstand von links und rechts. Und wenn der zuständige Bundesrat Alain Berset dem Ständerat auch noch vorhält, dass sein Vorschlag «schäbig» sei, muss sich die Politik grundsätzliche Fragen stellen.
Als der Bundesrat vor zwei Jahren seinen Vorschlag für eine Reform der 2. Säule dem Parlament vorlegte, war es angesichts der tiefen Zinsen weitgehend Konsens, dass der Mindestumwandlungssatz von 6.8 Prozent auf 6 Prozent reduziert werden muss. Da dies aber zu tieferen Renten führt, schlug der Bundesrat als Kompensation relativ grosszügige Ausgleichsmassnahmen vor.
Jeder und jede soll gemäss Bundesrat einen Rentenzuschlag erhalten. Der Nationalrat wollte davon jedoch nichts wissen und entschied sich für ein anderes Modell. Es zeigte sich jedoch rasch, dass die nationalrätliche Variante vor dem Volk keine Chance haben dürfte, weil bei dieser gewisse Menschen mit tiefen Einkommen am Schluss tatsächlich eine tiefere Rente haben würden – die Kassiererin an der Migros-Kasse zum Beispiel.
Ständerätliche Variante sei «schäbig»
Am Montag war dann der Ständerat am Zug. Er achtete denn auch darauf, dass Menschen mit tiefen Einkommen und Renten keine Renteneinbussen in Kauf nehmen müssen. Der ständerätliche Rentenzuschlag ist allerdings so konzipiert, dass lediglich die Hälfte der Pensionierten während einer Übergangsgeneration von 15 Jahren einen Rentenzuschlag erhalten.
Und wie bei der nationalrätlichen Variante würden auch bei der ständerätlichen diejenigen Menschen, die nach der Übergangsgeneration pensioniert werden, leer ausgehen. So hätten am Schluss auch mit der ständerätlichen Variante viele Pensionierte eine tiefere Rente. Deshalb die Kritik von Bundesrat Alain Berset, dies sei «schäbig».
Die Gewerkschaften meldeten denn auch umgehend Fundamentalopposition an. Sie wehren sich auch je länger, desto lauter gegen eine Senkung des Umwandlungssatzes. Weil die Tiefzinsphase fürs Erste vorbei ist, sehen sie keinen Grund mehr, warum der Umwandlungssatz tatsächlich gesenkt werden muss.
Je mehr man einzahlt, desto tiefer der Lohn
Doch damit nicht genug: Aus anderen Gründen kritisiert auch der Gewerbeverband die Variante des Ständerates und fordert eine Wiederannäherung an die Variante des Nationalrates. Hier geht es nicht um den Rentenzuschlag, sondern um gewisse technische Änderungen (Koordinationsabzug), damit Menschen mit tiefen Löhnen langfristig mehr Kapital für die 2. Säule ansparen können.
Das ist ein wichtiger Punkt, um die Renten von Frauen aufzubessern. Das Problem dabei ist jedoch: Je mehr eine Arbeitnehmende in die 2. Säule einzahlt, desto mehr kann sie zwar fürs Alter auf die Seite legen, desto tiefer aber auch der Lohn. Und je mehr ein Arbeitgeber in die 2. Säule seiner Angestellten einzahlen muss, desto höher die Kosten auch für den Arbeitgeber.
Das sei vor allem für Tieflohnbranchen (Gastronomie, Hotellerie, Reinigung etc.) ein Problem, moniert der Gewerbeverband. Mit der Variante des Ständerates sei deshalb die «Schmerzgrenze» praktisch erreicht. Deshalb kommt auch der Widerstand des Gewerbes gegen die Variante des Ständerates.
Ein solcher Zangenangriff von links und rechts gegen die Variante des Ständerates zeigt, dass diese wohl nicht mehrheitsfähig ist. Das Problem ist einfach: die nationalrätliche Variante ist es wohl auch nicht. Das sind keine guten Voraussetzungen für eine Reform der 2. Säule.