Zuerst das Ja zur 13. AHV-Rente und dann das Nein zur Erhöhung des Rentenalters. Nun das deutliche Nein zur Reform der beruflichen Vorsorge. Die Gewerkschaften demonstrieren erneut ihren Einfluss in der Sozialpolitik. Pierre-Yves Maillard ist SP-Ständerat und Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, der die Kampagne gegen die BVG-Reform geführt hat.
SRF News: Wie beeinflusst das Abstimmungsresultat die Sozial- und Rentenpolitik in der Schweiz?
Pierre-Yves Maillard: Das ist das dritte Mal, dass das Volk klar sagt, dass es keine Rentenalter-Erhöhungen und Rentensenkungen mehr will. Im Gegenteil: Die Abstimmung zur 13. AHV-Rente zeigt, dass wir eigentlich Verbesserungen wollen in der Altersvorsorge. Ich denke, jetzt ist es sehr klar, was das Volk will und wir müssen endlich von den Parteileitungen hören, dass sie diesem Volkswillen folgen werden.
Die Mehrheit, die Sie im Stimmvolk haben, haben Sie im Parlament aber nicht. Sie können da kein Powerplay aufziehen …
Die Frage ist: Können die Parteileitungen wirklich so lange über ein so wichtiges Thema wie die Altersvorsorge, weit weg von ihrer eigenen Basis politisieren? Ich denke, das ist nicht möglich. Wenn das Volk versteht, dass das Parlament nicht das macht, was es gesagt hat, hat es nur eine einzige Lösung: Das Parlament zu ändern.
Seit der Entwicklung der Altersvorsorge sagen einige Kreise, dass die Jungen ihre Rente nicht bekommen werden. Das war schon die Botschaft von den Gegnern der AHV 1947.
Fast 70 Prozent haben die Reform der beruflichen Vorsorge abgelehnt. Unter welchen Bedingungen können wir jetzt über Anpassungen bei der beruflichen Vorsorge sprechen?
Die gute Nachricht zuerst: Die 800 Millionen Franken pro Jahr, die als Kompensation für die globale Rentensenkung gedacht wurden, stehen jetzt zur Verfügung. Das heisst, dass endlich einige Renten verbessert werden können. Also zum Beispiel, indem man sie der Inflation anpasst, oder dass der Versichertenlohn erweitert wird, mit einer Senkung des Koordinationsabzuges oder einer niedrigeren Eintrittsschwelle. Hier können wir etwas machen. Allerdings eher für die jüngeren Generationen – da ist es einfacher. Dann haben diese Leute mehr Zeit, um ein gewisses Kapital zu finanzieren, das könnte eine reale Verbesserung sein. Für die Leute, die bald in den Ruhestand gehen, ist es natürlich viel schwieriger, diese Parameter zu ändern.
Sie sagen also, wir haben etwas Zeit, die Lage ist nicht so dramatisch, wie sie vielleicht dargestellt wird. Was sagen Sie jungen Berufsleuten, die Respekt davor haben, dass ihre Pensionskassenrente vielleicht einmal nicht ausreichen wird?
Seit der Entwicklung der Altersvorsorge sagen einige Kreise, dass die Jungen ihre Rente nicht bekommen werden. Das war schon die Botschaft von den Gegnern der AHV 1947. Damals sagten sie schon, dass es in 20 Jahren keine AHV mehr gibt. Es gibt Kreise, die wollen nicht, dass die öffentliche Altersvorsorge entwickelt wird, weil sie private Produkte verkaufen wollen. Wenn Sie mehr Markt wollen für private Altersvorsorge-Produkte, dann müssen Sie den obligatorischen Teil der AHV und der zweiten Säule reduzieren. Und deshalb müssen Sie den Leuten Angst machen, dass sie ihre Rente nicht bekommen. Die AHV hat 50 Milliarden Vermögen und keine Schulden. Die BVG ist finanziert, sie hat mehr als 150 Milliarden Überfinanzierung. Also kann man in Ruhe an Anpassungen denken und gute Verhandlungen führen zugunsten der Bevölkerung.
Das Gespräch führte Matthias Strasser.