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Bringt der Autobahnausbau mehr Sicherheit?
Aus Rendez-vous vom 08.11.2024. Bild: Keystone/Anthony Anex
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Sicherheit im Verkehr Mehr Autobahnspuren = mehr Sicherheit? Experten sind sich uneins

Der Ausbau der Autobahn bringe mehr Sicherheit, sagen Bundesrat und die bürgerlichen Parteien. Die Verkehrsfachleute sind gespalten.

Zwei Spuren, zwei Fahrtrichtungen. Eine links und eine rechts. Und darauf sind zwei Experten in gegensätzlicher Richtung unterwegs. Auf der rechten Spur fährt Micaël Tille, Dozent an der ETH Lausanne. Links, in entgegengesetzter Richtung, ist Verkehrsplaner Thomas Hug unterwegs.

Drohnenaufnahmen der Autobahnverzweigung Hagnau / Basel St. Jakob.
Legende: Das Projekt «Rheintunnel» in Basel Der Rheintunnel soll das Strassennetz in und rund um Basel entlasten. Hier ein Blick auf die Autobahnverzweigung Hagnau / Basel St. Jakob. Keystone / Georgios Kefelas

Zuerst ein Blick auf die Spur rechts: Micaël Tille, Dozent für Verkehrsinfrastruktur, hat eine Studie im Auftrag des TCS geschrieben. Der TCS ist für den Ausbau der Autobahnen. Zur Verkehrssicherheit kommt Tille zum Schluss: Wenn man mehr Verkehr aus von den Haupt- und Nebenstrassen auf die Autobahn leite, dann werde dies über alles gesehen zu weniger Unfällen führen.

Micaël Tille ist Dozent für Verkehrsinfrastruktur an der ETH Lausanne.
Legende: Der TCS-Studienautor Für den Verkehrsinfrastruktur-Experten Micaël Tille ist eindeutig: Wenn Autobahnen mehr Spuren erhalten, dann steigt die Verkehrssicherheit auch in den Dörfern und Städten. zvg

Die Logik dahinter: Autobahnen sind im Vergleich zu Kantons- und Gemeindestrassen sicherer. Es gibt weniger Unfälle mit Toten und Verletzten auf den Autobahnen. So kamen im Jahr 2023 20 Menschen auf der Autobahn ums Leben. Auf Autostrassen, Haupt- und Nebenstrassen waren es 216 Personen, die ihr Leben verloren.

Gemäss der TCS-Auftragsstudie von Micaël Tille gibt es siebenmal weniger Unfälle pro gefahrenem Kilometer auf der Autobahn als auf den anderen Strassen. Der Grund dafür sei einfach erklärbar: Auf den Autobahnen seien die Fahrtrichtungen getrennt, die Geschwindigkeit einheitlicher, und es gebe keine Fussgänger und Velofahrerinnen. Wenn mal also die Autos aus den Dörfern und den Städten auf die Autobahn bringe, dann steige die Verkehrssicherheit.  

Thomas Hug ist Raum- und Verkehrsplaner in Zürich.
Legende: Der kritische Verkehrsplaner Raum- und Verkehrsplaner Thomas Hug warnt, der zukünftige Mehrverkehr führe auch zu mehr Unfällen. zvg

Widerspruch kommt von der Gegenfahrbahn links: Thomas Hug ist Verkehrsplaner in Zürich, politisch aktiv in der GLP. Er hat einen Appell von 340 Verkehrsfachleuten organisiert, die den Autobahnausbau kritisieren. Hug sagt, kurzfristig könne der Autobahnausbau einen positiven Effekt haben. Aber langfristig werde es gefährlicher auf den Strassen. «Je mehr Autos unterwegs sind, desto gefährlicher werde es auf den Strassen.»

Mehrverkehr bedeute mehr Unfälle

Denn was vergessen gehe: Der Verkehr auf den Strassen werde in der Zukunft sowieso zunehmen, auf der Autobahn wie in den Städten und Dörfern. Und dort seien die ungeschützten Fussgänger und Velofahrerinnen unterwegs, sagt Hug. «Wir beobachten, dass die Unfälle bei den Menschen auf den Fahrrädern und E-Bikes zunehmen.» Es brauche deshalb zusätzliche Massnahmen für die Verkehrssicherheit in den Städten und Dörfern, wie zum Beispiel Temporeduktionen, fordert Hug. 

Auf der Fahrspur rechts widerspricht ETH-Experte Micaël Tille nicht grundsätzlich. Der Mehrverkehr in der Zukunft könne zu mehr Unfällen führen. Aber im Verhältnis zu den zurückgelehnten Kilometern sinke der Anteil Verletzter und Toter. Das bedeutet: Die Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer werden in Zukunft mehr Kilometer zurücklegen, die Unfälle könnten in absoluten Zahlen zunehmen. Aber relativ zu den gefahrenen Kilometern gehen die Unfälle zurück. 

Ziel: weniger Unfälle

Auf der anderen Spur macht der Verkehrsplaner Thomas Hug eine andere Rechnung. Er ist der Meinung, die relative Sicht sei nicht sinnvoll. «Am Ende wollen wir die absolute Zahl der Unfälle runterbringen.»

Zwei Fahrspuren, zwei Experten-Haltungen zur Frage, ob der Autobahnausbau mehr Sicherheit bringe. Oder nicht.

Widersprüchliche Aussagen des Bundes zur Sicherheit

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Der Bund hat zu allen zukünftigen Nationalstrassenbau-Projekten eine Nachhaltigkeitsanalyse erstellen lassen. Diese beinhaltet eine so genannte Kosten-Nutzen-Analyse. Vor- und Nachteile bei den Kosten, der Verkehrsqualität, Sicherheit und Umwelt wurden gegeneinander abgewogen.

SRF News hatte Zugang diesen Kosten-Nutzen-Analysen der sechs anstehen Autobahnprojekten. Sie zeigen Überraschendes. So ist der Sicherheitsgewinn nur bei drei Projekten positiv:

  • A2 bei Basel (neuer Rheintunnel)
  • A4 bei Schaffhausen (2. Röhre Fäsenstaubtunnel)
  • A1 bei St. Gallen (3. Röhre Rosenbergtunnel)

Hingegen gibt es bei drei Projekten zukünftig einen Sicherheitsverlust:

  • A1 zwischen Le Vengeron und Nyon (sechs Spuren)
  • A1 zwischen Bern-Wankdorf und Schönbühl (acht Spuren)
  • A1 zwischen Schönbühl und Kirchberg (sechs Spuren)

Weder die positiven noch die negativen Veränderungen sind extrem. Im Verhältnis zu den Gesamtkosten gibt es also keinen Sicherheitsgewinn, aber auch keinen Verlust.

Ein Widerspruch zur offiziellen Kommunikation?

Im Abstimmungsbüchlein schreibt der Bund: «Damit leisten die Projekte einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit.»

Auf Anfrage schreibt das Bundesamt für Strassen ASTRA, das Bewertungsverfahren basiere auf starken Vereinfachungen und Modellen. Die Ergebnisse hätten hauptsächlich dazu gedient, die rund 30 Projekte des Nationalstrassenausbaus miteinander zu vergleichen und zu priorisieren.

Die ersten sechs der 30 Projekte kommen nun am 24. November 2024 zur Abstimmung. Der Bund hält daran fest, dass die sechs Projeke einen Sicherheitsgewinn brächten, vor allem in den Städten und Agglomerationen. «Weniger Verkehr auf diesen Strassen bedeutet einen markanten Gewinn bei der Verkehrssicherheit für den Langsamverkehr und schafft Platz für den ÖV und Velos,» schreibt das ASTRA gegenüber SRF.

Der Bund kann aber diese Aussage nicht mit der erstellten Analyse unterlegen.

 

Rendez-vous, 8.11.24, 18 Uhr

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