Zwei Spuren, zwei Fahrtrichtungen. Eine links und eine rechts. Und darauf sind zwei Experten in gegensätzlicher Richtung unterwegs. Auf der rechten Spur fährt Micaël Tille, Dozent an der ETH Lausanne. Links, in entgegengesetzter Richtung, ist Verkehrsplaner Thomas Hug unterwegs.
Zuerst ein Blick auf die Spur rechts: Micaël Tille, Dozent für Verkehrsinfrastruktur, hat eine Studie im Auftrag des TCS geschrieben. Der TCS ist für den Ausbau der Autobahnen. Zur Verkehrssicherheit kommt Tille zum Schluss: Wenn man mehr Verkehr aus von den Haupt- und Nebenstrassen auf die Autobahn leite, dann werde dies über alles gesehen zu weniger Unfällen führen.
Die Logik dahinter: Autobahnen sind im Vergleich zu Kantons- und Gemeindestrassen sicherer. Es gibt weniger Unfälle mit Toten und Verletzten auf den Autobahnen. So kamen im Jahr 2023 20 Menschen auf der Autobahn ums Leben. Auf Autostrassen, Haupt- und Nebenstrassen waren es 216 Personen, die ihr Leben verloren.
Gemäss der TCS-Auftragsstudie von Micaël Tille gibt es siebenmal weniger Unfälle pro gefahrenem Kilometer auf der Autobahn als auf den anderen Strassen. Der Grund dafür sei einfach erklärbar: Auf den Autobahnen seien die Fahrtrichtungen getrennt, die Geschwindigkeit einheitlicher, und es gebe keine Fussgänger und Velofahrerinnen. Wenn mal also die Autos aus den Dörfern und den Städten auf die Autobahn bringe, dann steige die Verkehrssicherheit.
Widerspruch kommt von der Gegenfahrbahn links: Thomas Hug ist Verkehrsplaner in Zürich, politisch aktiv in der GLP. Er hat einen Appell von 340 Verkehrsfachleuten organisiert, die den Autobahnausbau kritisieren. Hug sagt, kurzfristig könne der Autobahnausbau einen positiven Effekt haben. Aber langfristig werde es gefährlicher auf den Strassen. «Je mehr Autos unterwegs sind, desto gefährlicher werde es auf den Strassen.»
Mehrverkehr bedeute mehr Unfälle
Denn was vergessen gehe: Der Verkehr auf den Strassen werde in der Zukunft sowieso zunehmen, auf der Autobahn wie in den Städten und Dörfern. Und dort seien die ungeschützten Fussgänger und Velofahrerinnen unterwegs, sagt Hug. «Wir beobachten, dass die Unfälle bei den Menschen auf den Fahrrädern und E-Bikes zunehmen.» Es brauche deshalb zusätzliche Massnahmen für die Verkehrssicherheit in den Städten und Dörfern, wie zum Beispiel Temporeduktionen, fordert Hug.
Auf der Fahrspur rechts widerspricht ETH-Experte Micaël Tille nicht grundsätzlich. Der Mehrverkehr in der Zukunft könne zu mehr Unfällen führen. Aber im Verhältnis zu den zurückgelehnten Kilometern sinke der Anteil Verletzter und Toter. Das bedeutet: Die Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer werden in Zukunft mehr Kilometer zurücklegen, die Unfälle könnten in absoluten Zahlen zunehmen. Aber relativ zu den gefahrenen Kilometern gehen die Unfälle zurück.
Ziel: weniger Unfälle
Auf der anderen Spur macht der Verkehrsplaner Thomas Hug eine andere Rechnung. Er ist der Meinung, die relative Sicht sei nicht sinnvoll. «Am Ende wollen wir die absolute Zahl der Unfälle runterbringen.»
Zwei Fahrspuren, zwei Experten-Haltungen zur Frage, ob der Autobahnausbau mehr Sicherheit bringe. Oder nicht.