Woher kommt der Strom? Die Antwort auf diese Frage war früher einfach: Bis in die 1960er-Jahre gab es in der Schweiz ausschliesslich Wasserkraftwerke. Später kamen noch AKWs dazu. Mittlerweile gibt es auch einige Windräder und vor allem immer mehr Solaranlagen.
Der für die Stromversorgung wichtige Zubau der Erneuerbaren Energien führt nun dazu, dass zeitweise sogar zu viel Strom produziert wird, vor allem dann, wenn in weiten Teilen Europas die Sonne scheint und der Wind kräftig bläst.
Wegen dieser Stromüberschüsse steht die Schweizer Strombörse zunehmend Kopf. Die Strompreise sind immer häufiger negativ. Das bedeutet: Wer Strom produziert, bekommt kein Geld, sondern muss gar dafür bezahlen.
Für den Energieexperten Stefan Roth, emeritierter Professor für Erneuerbare Energien an der Fachhochschule Nordwestschweiz, ist klar, dass es sich bei dieser Absurdität um Marktversagen handelt: «Es ist paradox, wenn die Kraftwerkbetreiber dafür zahlen müssen, dass ihr Strom abgesetzt werden kann.» Das passiere deshalb, weil mehr Kraftwerke am Netz seien als man für die Nachfragedeckung benötigen würde.
Drastische Zunahme der negativen Strompreise
Zahlen des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen zeigen: Zwischen 2017 und 2023 war die Zahl der Stunden mit negativen Strompreisen an der Schweizer Strombörse überschaubar. Sie schwankte zwischen 1 und 74. Im letzten Jahr kam es jedoch 292 Mal vor, dass die Preise negativ waren, was einer Vervierfachung entspricht.
Ein Problem ist aus Sicht von Roth die derzeitige finanzielle Förderung der Erneuerbaren Energien. Wer zum Beispiel Solarstrom ins Netz einspeist, erhält meist einen bestimmten Betrag pro Kilowattstunde, egal ob die Preise an der Strombörse Kopf stehen.
Es fehle deshalb der Anreiz, bei einem Stromüberschuss und negativen Preisen aufs Einspeisen zu verzichten, so Roth. Gleichzeitig können die Energiekonzerne in solchen Situationen ihre grossen Kraftwerke nicht einfach so abschalten. Das wäre zu aufwendig und ist wegen der Konzession in vielen Fällen gar nicht erlaubt.
Höhere Stromrechnungen
Für die Energiekonzerne bedeutet das Umsatzeinbussen. Im Fall der Axpo, dem grössten Schweizer Kraftwerksbetreiber, handelt es sich um einen stark ansteigenden zweistelligen Millionenbetrag.
Laut dem Energieexperten geben die Stromkonzerne diese Kosten den Konsumenten weiter. Die negativen Strompreise können also zu höheren Stromrechnungen führen, in Zukunft noch mehr als heute, denn mit dem weiteren Zubau der Erneuerbaren Energien wird sich dieses Problem verschärfen.