Zu Beginn der Pandemie im März 2020 rief der Bundesrat die ausserordentliche Lage aus. Fast gleichzeitig rief er – zum ersten Mal überhaupt – ein spezielles Gremium zusammen: den Ad-hoc-Krisenstab Corona des Bundes. Dessen Aufgabe war die Koordination der Krisenbewältigung und deren Folgen für die Gesundheitsversorgung.
Mit dabei in diesem Ad-hoc-Krisenstab waren 14 Führungspersonen aus allen Departementen, der Kantone, dazu Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und der Zivilgesellschaft.
Geschwindigkeit ist entscheidend
«Das Überzeugende war vor allem die Koordination und die zusammenhängende Geschwindigkeit», sagt Marcel Salathé, Professor für Epidemiologie an der ETH Lausanne. Er unterstützte den Krisenstab als Experte für Digitalisierung bei der Entwicklung der Swiss-Covid-App und als damaliges Mitglied der wissenschaftlichen Taskforce.
Man habe rasch alle wichtigen Parteien an den Tisch bringen sowie sehr rasch und unkompliziert Entscheide treffen können. «Das hat halt geholfen, weil die Geschwindigkeit zählt», sagt Salathé.
Im Juni 2020 wurde der Ad-hoc-Krisenstab des Bundes wieder aufgelöst. Der Bundesrat beschloss den Übergang zur besonderen Lage. Und damit waren in erster Linie wieder die Kantone für die Bekämpfung der Pandemie zuständig.
Doch das habe sich nicht bewährt, sagt Salathé, weil dieses System viel zu langsam, zu kompliziert und zu wenig koordiniert sei. Alle hätten unterschiedliche Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten. «Es scheint, als sei es ein riesengrosses Chaos, was die Koordination anbelangt.»
Pandemie macht schnellere Entscheide nötig
Die Entscheidungswege in der Schweiz stammten aus einer Zeit, in der alles viel langsamer ging und es weniger Krisen gab, sagt Salathé weiter. Dieses System, basierend auf dem Föderalismus, sei nicht nur schlecht. Doch die Pandemie verlange Entscheide in einer viel höheren Geschwindigkeit – gerade jetzt, in der fünften Welle und mit der Omikron-Variante.
Der Epidemiologe geht schlussfolgernd davon aus, dass ein ähnliches Setup wie beim letzten Mal sinnvoll wäre. Also «dass die unterschiedlichen Teilnehmer aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, Gesundheitssystem und Bildungssystem – alle, die betroffen sind – da zusammenkommen.»
Keine Reaktivierung des Ad-hoc-Krisenstabes
Doch eine Wiedereinsetzung des Ad-hoc-Krisenstabes ist auf Bundesebene – jedenfalls im Moment – kein Thema. Das Krisenmanagement stütze sich auf bewährte, eingespielte Strukturen, heisst es bei der Bundeskanzlei.
Doch die Kritik verhallt beim Bundesrat offenbar nicht ungehört. Man müsse versuchen, sich für die nächste Krise noch besser zu organisieren, sagte Bundespräsident Guy Parmelin am Sonntag in der «Sonntagszeitung». Das Krisenmanagement würde evaluiert.
Marcel Salathé findet, dass man sich nach dem Ende der Krise und auch bereits heute überlegen sollte: «Was hat gut funktioniert? Wo gibt es definitiv Verbesserungsbedarf?», um auch für zukünftige Bedrohungen, nicht nur für eine Pandemie, besser gerüstet zu sein.