Zum Inhalt springen

AHV und IV Das sind die Fallstricke bei Ergänzungsleistungen

Wenn ein Ehemann vor der Heirat Vermögen verschleudert, darf das laut Bundesgericht der Witwe später bei der EL nicht angelastet werden. Anderes hingegen schon.

Wer sein Geld verpulvert, verschenkt oder auf ein Erbe verzichtet, kann im Alter oder bei Invalidität nicht auf Kosten des Steuerzahlers Ergänzungsleistungen (EL) beziehen. Das gilt grundsätzlich auch für den Ehepartner – aber nur bei Vermögensverzichten während der Ehe, wie das Bundesgericht in einem heute publizierten Leitentscheid klarstellt.

Der Fall

Box aufklappen Box zuklappen

Einer Witwe wurden die Ergänzungsleistungen gekürzt, weil ihr verstorbener Ehemann vor der Heirat zu viel Vermögen verbraucht hatte. Dagegen wehrte sie sich erfolgreich vor Bundesgericht.

In einem am 4. Februar publizierten Leitentscheid schreibt das höchste Gericht: Die Frau habe keinerlei Einfluss auf den früheren Vermögensverzicht ihres Mannes nehmen können – sie war damals noch gar nicht mit ihm verheiratet. Nur während der Ehe erfolgter Vermögensverzicht dürfe bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen berücksichtigt werden.

In diesem Punkt aber bestätigte das Bundesgericht seine bisherige Rechtsprechung: Wenn ein Ehepartner während der Ehe zu viel Vermögen verbraucht, können der Witwe oder dem Witwer später die Ergänzungsleistungen gekürzt werden.

Wer damit rechnet, dass er oder sie im Alter oder bei einem Heimeintritt EL benötigt, sollte laut Peter Burri Follath, Mediensprecher von Pro Senectute Schweiz, frühzeitig vorsorgen und sich beraten lassen. «Es gibt Fallstricke, die zu Kürzungen oder Streichung der EL führen können.»

Fallstricke lauern an unerwarteten Orten

Sowohl Vermögensverzicht als auch ein übermässiger Vermögensverbrauch können dazu führen, dass jemand weniger EL bekommt. Überlässt beispielsweise jemand sein Haus oder Geschäft den Kindern und verlangt dafür einen Preis, der unter dem Marktwert liegt, gilt das als Vermögensverzicht. Und wer innerhalb von einem Jahr mehr als zehn Prozent des Vermögens für den Kauf von Luxusautos ausgibt, verbraucht sein Vermögen zu schnell.

Vermögensverzicht und Vermögensverzehr

Box aufklappen Box zuklappen
Eine ältere Frau hält sich eine Hand vors Gesicht
Legende: Damit die EL einem im Alter kein Kopfzerbrechen bereitet, sollte man frühzeitig einige Dinge beachten. KEYSTONE/Christof Schuerpf

Wer freiwillig Vermögen hergibt oder darauf verzichtet, ohne Rechtspflicht oder ohne gleichwertige Gegenleistung, muss sich das als Vermögensverzicht anrechnen lassen. Beispiele: Schenkungen und Erbvorbezüge, Erbverträge und Erbverzichte.

Wer innert kurzer Zeit einen grossen Teil des Vermögens verbraucht, obwohl das Einkommen für den Lebensunterhalt reichen würde, muss sich einen übermässigen Vermögensverzehr anrechnen lassen. Es sei denn, das Geld wurde für den Werterhalt von Wohneigentum, Zahnbehandlungskosten oder Auslagen für Weiterbildungen ausgegeben.

Konkret: Wenn eine Person über ein Vermögen von mehr als 100'000 Franken verfügt und in einem Jahr mehr als 10 Prozent verbraucht, dann wird der Betrag, der diese 10 Prozent übersteigt, bei der Berechnung der EL berücksichtigt.

Die Fallstricke lauern zum Teil auch an unerwarteten Orten. «Wer Opfer eines Betrugs wird, sollte unbedingt Strafanzeige erstatten», sagt Burri Follath. «Sonst gilt der Verlust als freiwilliger Verzicht!» Und statt dass Kinder zugunsten des überlebenden Elternteils auf ihr Erbe verzichten, sollten die Eltern besser einen Ehevertrag schliessen.

Auch teure Reisen oder ein hoher Lebensstandard können problematisch sein. «Es gibt aber auch gute Gründe, weshalb das Vermögen kleiner wird. Man sollte daher unbedingt alle Belege für Krankheitskosten, Renovationen oder Weiterbildungen aufbewahren», mahnt Burri Follath. Denn diese belegen, dass die Ausgaben legitim waren.

Am Schluss zahlt trotzdem die Allgemeinheit

Burri Follath weiss aus den Rückmeldungen der Sozialberatungen: «Dass jemand sein Vermögen verprasst oder auf Weltreise geht, ist eher die Ausnahme. Den meisten Leuten geht es darum, ihren Kindern ein Erbe zu hinterlassen.» Aber genau das will das Gesetz verhindern: Eltern sollen nicht den Kindern ihr Vermögen schenken und später auf Kosten der Allgemeinheit leben können.

Rund sechs Milliarden Franken kostet die EL jährlich die Steuerzahlenden. Rund 12 Prozent der AHV-Rentnerinnen und Rentner sowie die Hälfte der IV-Rentnerinnen und Rentner beziehen Ergänzungsleistungen.

Doch was passiert, wenn jemand alle Einwände in den Wind schlägt und im Alter oder bei Invalidität ohne Vermögen und ohne EL dasteht? Dann bleibt laut Burri Follath oft nur der Gang auf die Sozialhilfe.

Statt Bund und Kantone wie bei der EL zahlen dann also die Gemeinden – ebenfalls mit Steuergeldern. Allerdings sind die Regeln bei der Sozialhilfe strenger als bei der EL. Die Gemeinden können Gelder zurückfordern oder Angehörige in die Pflicht nehmen. Auch hier lohnt es sich also letztlich nicht, das Vermögen zu verschleudern oder am Staat vorbei den Kindern zu schenken.

Nachrichten, 4.2.2025, 12:30 Uhr;stal

Meistgelesene Artikel