Sie ist ein Flaggschiff des Tourismusgebiets Graubünden: die Rhätische Bahn (RhB). Die Passagierzahlen 2023? So hoch wie noch nie. Aber: Das Bahnunternehmen hat Probleme beim Lokpersonal. Ein akuter Personalmangel hat sich derart akzentuiert, dass drei Prozent der Züge gestrichen werden sollten.
Die Ende Januar angekündigte Massnahme sorgte für einen Aufschrei. Pendlerinnen und Pendler starteten eine Petition, über ein Drittel der Kantonsparlamentsmitglieder übergaben der Regierung eine Resolution, also eine dringliche Aufforderung, die Anpassungen zu hinterfragen.
Mitte Februar veröffentlichte die RhB ihre nächste Mitteilung. Einige Pendlerzüge könnten durch einen zusätzlichen Arbeitseinsatz von Vorgesetzten oder Fachspezialisten doch geleistet werden. Leises Aufatmen auf den betroffenen Strecken, zum Beispiel Davos-Filisur oder Chur-Arosa.
Mit dieser Massnahme, Züge zu streichen und durch Busse zu ersetzen, will die RhB ihre sowieso schon überlasteten Mitarbeitenden schützen und kurzfristige Zugausfälle vermeiden. Hinzu sollen ein verstärktes Personalmarketing helfen und die Ausbildungsplätze stark ausgebaut werden.
Hilfe aus dem Mittelland
Helfen sollen auch eingemietete, externe Lokführerinnen und Lokführer, beispielsweise von der BLS – der Berner Regionalbahn. Dort besteht keine Personalnot. Im Gegenteil: Bei der BLS besteht momentan ein leichter Überbestand. Interessierte Berner Lokführerinnen und Lokführer haben nun die Möglichkeit, nach Graubünden umzusteigen.
Zehn Lokführer wagen diesen temporären Wechsel. Einer davon ist Lukas Blatter. Der 28-jährige Lokführer verlässt für zwei Jahre seine Berner Heimat und zieht nach Landquart (GR). «Meine private Situation liess das zu. Es tut jedem gut, die Komfortzone zu verlassen.»
Mich reizt die neue Umgebung. Neue Landschaften zu entdecken, da zu arbeiten, wo andere Ferien machen, etwas Neues erleben zu dürfen.
Der Umstieg aus dem BLS-Führerstand in jenen der RhB bedingt allerdings einer fünfmonatigen Ausbildung – bei vollem Lohn. Denn die RhB wartet mit Besonderheiten auf «das Bremssystem, die ganze Topografie, alle Bahnhöfe, unterschiedliche Stromsysteme, teils andere Signalsysteme – es gibt einiges», sagt Carlo Custer, Leiter Lokpersonal bei der Rhätischen Bahn.
Dass im Ferienkanton gar Züge ausfallen, weil es zu wenige Lokführerinnen und Lokführer gibt, hat Lukas Blatter bewegt: «Mich reizt die neue Umgebung. Neue Landschaften zu entdecken, da zu arbeiten, wo andere Ferien machen, etwas Neues erleben zu dürfen. Mit dem Wissen, wieder zurück in die Heimat zu dürfen.»
Ab August im Führerstand
Für Lukas Blatter und neun andere Lokführer geht es statt geradeaus durch das Mittelland bald hoch hinauf, über das Landwasserviadukt beispielsweise. Der baldige RhB-Lokführer fasste bereits eine Lieblingsroute ins Auge: «Ich kenne das Streckennetz noch nicht gut, aber das wird sich etablieren. Nach Arosa wird es bestimmt schön sein.»
Läuft alles nach Plan, sitzt Lukas Blatter ab August im Führerstand der roten RhB-Züge. Das reduzierte Angebot der RhB startet je nach betroffener Strecke ab dem 11. März beziehungsweise Mitte Mai.