In der Schweiz stehen noch vier Kernkraftwerke. Gösgen, Leibstadt, Beznau 1 und 2. Mühleberg ist stillgelegt, der Rückbau schreitet voran. Für Mühleberg kommt die Debatte zu spät. Bei den anderen AKWs stellt sich irgendwann die Frage: Was bleibt davon erhalten?
Über den Erhalt und wie die Denkmalpflege mit diesen Bauten umgehen will, die Zeugnisse des nuklearen Zeitalters und Teil der Schweizer Industriegeschichte sind, gibt es aktuell in der Schweiz keine vertiefte Diskussion. Fachleute stossen sie nun an.
Denkmalwürdigkeit muss jetzt geklärt werden
Es sei dringend an der Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, bevor weitere Zeugen verschwinden. Im Kanton Aargau stehen drei der vier Schweizer Kernkraftwerke. Was genau davon dereinst erhalten bleiben könnte, diese Frage stelle sich noch nicht. Aber Reto Nussbaumer, der Denkmalpfleger des Kantons Aargau, will sich mit den Betreibern der Kraftwerke darüber unterhalten. Für die Kernkraftwerke in Beznau und Leibstadt werde nicht er das entscheiden, sagt der Aargauer Denkmalpfleger. Das müsse die Gesellschaft tun.
Sollen Kühltürme gesprengt werden oder stehen bleiben? Müssen die hohen Kamine oder die halbrunden Reaktorgebäude abgetragen werden? Muss dort, wo heute ein AKW steht, irgendwann grüne Wiese sein? Das wäre eine Möglichkeit. Aus Sicht von Laura Hindelang, der Leiterin der Abteilung Architekturgeschichte und Denkmalpflege an der Universität Bern, ist das keine Option. Die Nukleargeschichte der Schweiz sei kontrovers, aber wichtig. Sie habe die Schweiz über ein halbes Jahrhundert geprägt.
Zeugen der nuklearen Geschichte der Schweiz
Es gehe darum, auch unbequeme Denkmäler zu haben, mit denen wir uns kritisch auseinandersetzen, sagt Laura Hindelang. «Es geht um die Geschichte der Schweiz, die Energiepolitik der Schweiz, die Technikgeschichte, die Geschichte des Widerstandes gegen Atomkraft. Aus dem Konglomerat der Aspekte kann bestimmt werden, ob es sich um ein Denkmal handelt und dann ist eine ganz andere Frage, ob davon etwas erhalten werden kann und welcher Teil.»
War die Kernkraft in den 1950er Jahren eine Vision grenzenloser, umweltfreundlicher Energiegewinnung, wurde sie später mit den serienmässig gebauten Kernkraftwerken ein kommerzielles Produkt. Die Atomkraft wurde am Anfang ausgeprägt positiv bewertet, und spätestens bei Tschernobyl von vielen verteufelt. Kernkraft wurde gefördert, gebremst, Neubauten in der Schweiz verboten, doch auch das ist nicht mehr sakrosankt.
Die Schweizer Kernkraftwerke sind Industriebauten ohne grossen ästhetischen Wert. Aber die Ästhetik sei auch nur ein Argument von vielen, welches ein Bauwerk zum Denkmal mache, sagt die Wissenschaft. Bereits im Jahr 2011 befragte Radio SRF Menschen, die nahe dem Kernkraftwerk Gösgen lebten, ob der Kühlturm nach einer Stilllegung stehen bleiben solle. Niemand wollte das damals. Die Menschen sprachen von «Blödsinn», «Chabis» und «Schnapsidee».
Die Diskussion über den Erhalt und die baukulturelle Bedeutung der nuklearen Anlagen in der Schweiz soll also beginnen. Beim Atomkraftwerk Mühleberg hat man sie verpasst. Möglich ist, dass das AKW Mühleberg ganz verschwindet, bis auf die radioaktiven Abfälle. Diese sind im Zwischenlager. Die Armatur aus dem Schaltraum geht ins Landesmuseum nach Zürich.