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Alain Berset: Ist der Bundesrat das Problem?
Aus Samstagsrundschau vom 13.05.2023. Bild: Keystone / ALESSANDRO DELLA VALLE
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Alain Berset im Interview Berset: «Rücktritt von Frau Leu ist nicht das Ende der Welt»

Der Abtritt der Chefunterhändlerin mit der EU, Kritik an der Schweizer Position im Ukraine-Krieg und eine Mitgliedschaft im UNO-Sicherheitsrat, deren Nutzen sich noch erschliessen muss. Bundespräsident Berset spricht in der Samstagsrundschau zu den aktuell grössten Herausforderungen der Schweizer Aussenpolitik.

Alain Berset

Bundespräsident

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Alain Berset ist seit 2012 Bundesrat und Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI). Für das Jahr 2023 ist Berset zudem Bundespräsident. Er wurde 1972 geboren, studierte an der Universität Neuenburg Politik- und Wirtschaftswissenschaften, die er 2005 mit dem Doktorat abschloss. Der Sozialdemokrat war für den Kanton Freiburg im Ständerat und übte dort 2008 und 2009 das Amt des Ständeratspräsidenten aus. Neben seinem politischen Mandat präsidierte Berset den Westschweizer Mieterinnen- und Mieterverband und die Schweizerische Vereinigung zur Förderung der AOC/IGP.

Ende 2023 wird Alain Berset nicht mehr als Bundesrat kandidieren.

SRF News: Herr Berset, was bringt der UNO-Sicherheitsrat der Schweiz?

Alain Berset: Er ist eine gute Sache für uns, um zu zeigen, dass es uns nicht gleichgültig ist, was passiert in der Welt. Wir sind ein Teil der Welt. Wir haben auch Ideen, können etwas beitragen. Und klar: Wenn man etwas beiträgt, wird der Beitrag auch anerkannt. Das ist gut für die Position der Schweiz und für die Möglichkeit, noch mehr beizutragen.

Berset erneut Bundesrat?

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Auf die Frage, ob er im Dezember noch einmal als Bundesrat kandidiere, antwortet Alain Berset: «Ich bin bei Weitem der jüngste Bundesrat. Ich habe jetzt den grossen Vorteil, eine grosse Erfahrung zu haben. Es gibt wichtige Themen im Departement, die uns betreffen. Ich mache das mit voller Leidenschaft. Die Schlussfolgerung können Sie selber ziehen.»

Die Erfahrungen auf globaler Ebene: Entspannen die das Verhältnis zur EU? Da tun wir uns ja ganz schwer damit, eine aktive Rolle zu spielen.

Das lässt sich nicht ganz vergleichen. Für konkrete Elemente eine Lösung zu finden, ist nicht ganz einfach. Aber wir haben eine sehr enge Beziehung mit Europa. Und es stellt sich die Frage: Was können wir tun, dass es einen Schritt weiter geht?

Am Mittwoch gab es einen Rückschritt. Da hat der Bundesrat die Chefunterhändlerin mit der EU, Livia Leu, nach Berlin versetzt.

Warum sollte das ein Rückschritt sein? Die Institutionen sind immer stärker als die Personen, die sie für eine gewisse Zeit verkörpern können. Staatssekretärin Leu hat gesagt, sie würde gerne nach einer intensiven Phase nach drei Jahren noch etwas anderes machen wollen. Das kann passieren und ist nicht das Ende der Welt.

Warum sollte der Rücktritt von Frau Leu ein Rückschritt sein?

Würde es stimmen im Verhältnis Bundesrat-Chefunterhändlerin, würde Frau Leu dieses Projekt doch vorantreiben wollen?

Es ist schwierig, einen stabilen Weg zu finden, bei dem man sieht, wie sich die Mehrheiten bis am Ende bilden. Wir sind das einzige Land auf dem Kontinent, in dem die ganze Bevölkerung über alles abstimmt, was relevant ist. Das hat nichts mit Frau Leu oder dem Bundesrat zu tun, sondern nur mit guter Vorbereitung.

Sie weichen aus. Wir hatten seit 2014 fünf Staatssekretäre. Der Bundesrat ist praktisch immer der gleiche geblieben. Wo liegt das Problem?

Die Vernehmlassung des Rahmenabkommens hat Ende 2018, Anfang 2019 stattgefunden. Was konnten wir merken? Dass es nicht so evident ist, dass es einen stabilen Weg gibt mit Unterstützung für dieses Abkommen.

Dann kam Covid-19 unerwartet. Das hat auch alles blockiert. Dann haben wir im Bundesrat entschieden, mit diesem Abkommen nicht weiterzugehen und einen neuen Ansatz auf die Beine zu stellen. Der neue Ansatz ist gemacht worden. Der Bundesrat hat noch vor kurzem ein Mandat gegeben für die Eckwerte für ein Verhandlungsmandat.

Da glaubt einfach niemand dran, dass das der Bundesrat wirklich will.

Sie werden sehen, was kommt.

Alain Berset in Bern
Legende: Die Institutionen seien immer stärker als die Personen, die sie für eine gewisse Zeit verkörpern könnten, sagt Bundespräsident Berset. Keystone/ALESSANDRO DELLA VALLE

Das heisst, wir haben Ende Juni Eckwerte für ein Verhandlungsmandat?

Wann, ist noch die Frage. Aber Sie können sicher nicht davon ausgehen, dass wenn der Bundesrat etwas entscheidet und kommuniziert, er das Gegenteil denkt.

Ukraine-Neutralität: Weiss der Bundesrat, dass er dem Ruf der Schweiz im Ausland schadet?

Wir sehen schon, dass es Spannungen gibt. Viele Diskussionen. Ich finde, die Diskussionen in der Schweiz, in den Medien vor allem, sind viel zu stark auf die Schweiz konzentriert. Man hat den Eindruck, dass es bei den Medien die Tendenz gibt, immer zu kritisieren.

Sie schelten die Medien?

Nein. Ich sage nur, in der ganzen Diskussion gibt es unterschiedliche Positionen. Und für diese braucht es auch Respekt.

Berset zum Mangel an Respekt vor unterschiedlichen Positionen

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«Wir haben vier Tage in Anspruch genommen, um die Übernahme der Sanktionen zu kommunizieren. In diesen vier Tagen wurde international und in der Schweiz die Kritik laut, die Schweiz könne sich nicht bewegen, mache nichts.

Vier Tage später: Wir übernehmen die Sanktionen voll. Die Reaktion? Andere Länder sagen: Die Schweiz habe definitiv auf ihre Neutralitätspolitik verzichtet. Alles ist falsch. Wir versuchen einfach einen Weg zu finden, mit einer grossen Solidarität mit der Ukraine. Wir haben nie in unserer Geschichte so klar so viele Sanktionen übernommen. Und mit der Konferenz von Lugano haben wir einen wichtigen Beitrag für den Ausbau leisten können.»

Und was die Wiederausfuhr von Munition betrifft: Diese Munition ist vor langem nach Deutschland exportiert worden.

Dann gäbe es ja eigentlich kein Problem.

Weil unsere Gesetze so sind, haben wir die Munition exportiert, mit einem Punkt im Vertrag, bei dem man sagt: Es gibt keine Wiederausfuhr in Kriegsgebiete. Darüber kann man diskutieren. Das kann man sogar ändern. Aber bitte in Ordnung. Diese Diskussion hat angefangen und findet weiter statt.

Über das Gesetz kann man diskutieren. Das kann man sogar ändern. Aber bitte in Ordnung.

Hat der Bundesrat den politischen Willen, die Gesetze zu ändern?

Eine Änderung ist eine Frage von Mehrheiten und Willen. Wir haben Stellung genommen zu Motionen des Parlaments. Das Parlament hat entschieden, nicht weiterzugehen. Aber das ist nicht das Ende. Es kann sich noch entwickeln. Und es gibt nicht nur die Frage nach der Wiederausfuhr von Munition, sondern auch nach dem Export von Leopard nach Deutschland. Und die dritte Frage: Wie ehrlich und solid sind die Sanktionen umgesetzt? Alle diese Fragen sind nicht blockiert. 

Wenn der politische Druck von aussen hoch genug ist, dann bewegt sich die Schweiz?

Nicht nur. Die Schweiz bewegt sich, wenn es Mehrheiten gibt, die finden, es müsse jetzt eine Bewegung geben. Und diese Bewegung ist immer im generellen Kontext zu sehen.

Das Gespräch führte Oliver Washington.

Samstagsrundschau, 13.05.2023, 11:30 Uhr ; 

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